Virginia, Römerin

Virginia, Römerin

Virginia, Römerin, Römerin, geb. im Jahr 290 nach Roms Erbauung. Wie der Name und der gewaltsame Tod Lucretia's, hängt der ihrige mit einer der wichtigsten Umwälzungen, deren Schauplatz ihr Vaterland war, zusammen. Eine Tochter des Plebejers Lucius Virginius, empfing sie von diesem die sorgfältigste Erziehung, ward frühzeitig dem gewesenen Tribun Lucius Icilius verlobt, reizte aber durch ihre Schönheit die Begierde des Decemvirs Appius Claudius Crassinus, der sie durch Geschenke und Versprechungen zu verführen suchte. V's Tugend und strenge Sittlichkeit widerstanden jedoch seinen Bemühungen. Da entschloß sich dieser zu einer grausamen Gewaltthat. Er trug seinem Schützlinge Marcus Claudius auf, das Mädchen als seine Sclavin anzusprechen und nicht nachzugeben, wenn man, bis zur Entscheidung vor dem Gerichte, den freien Stand für sie verlange. Appius glaubte den Augenblick günstig, als V's Vater einst abwesend war. Titus Livius überliefert uns die Begebenheit ungefähr wie folgt: V. schritt über den Marktplatz in Begleitung ihrer Amme, um sich in eine öffentliche Schule zu begeben. Da legte der Kuppler des Decemvirs Hand an sie, redete sie als seine Sclavin an, behauptete sie sei die Tochter einer seiner Sclavinnen und nur dem Virginius als Kind untergeschoben worden und befahl ihr zu folgen. Während die erschrockene Jungfrau sprachlos da stand, erregte das Geschrei ihrer Amme, welche die Quiriten zu Hilfe rief, einen Auflauf Die bei dem Volke beliebten Namen ihres Vaters und ihres Verlobten gingen von Mund zu Mund, schon schien sie vor roher Gewalt gesichert, als der Kläger sagte, vor Gericht sein Recht behaupten und beweisen zu wollen. Auf Zureden ihrer Freunde willigte V. ein ihm zum Richterstuhle des Appius zu folgen. Dieser, der Urheber des ganzen Auftrittes, fällte natürlich ein für die Jungfrau ungünstiges Urtheil. Auf das Dazwischentreten des Icilius, der die ihm verlobte Braut mit dem Schwerte zu befreien bereit war, und durch die Erbitterung der Menge, die jeden Augenblick los zu brechen drohte, genöthigt, änderte Appius seinen Beschluß in so weit ab, als er versprach, bis zur Ankunft des Virginius warten zu wollen, ehe er das Endurtheil ausspreche. Insgeheim schickte er jedoch Boten an seine Amtsgenossen in das Lager, wo sich Virginius befand, damit jene dem Letzteren den Urlaub verweigerten. Allein die Freunde der Jungfrau waren rascher und der Vater kam zu der zum Gerichthalten anberaumten Zeit in die Stadt. Mit Tagesanbruch führte er seine Tochter in Trauerkleider gehüllt auf den Markt, wo die Bürger in gespannter Erwartung seiner harrten. Weder die kühnen Reden der Männer, noch die stummen Thränen der Weiber vermochten Appius zu rühren; er bestand auf seinem Spruche, und erkannte dem Kläger das Recht auf seine Sclavin zu. Als Virginius sich endlich von der traurigen Gewißheit überzeugt hatte, daß es kein Mittel mehr gebe, seine Tochter vor niedriger Gewalt zu schützen, bat er um Erlaubniß mit V. und ihrer Amme allein zu reden. Er führte sie in die Nähe des Tempels der Cloacina, zu den Buden, nahm einem dortigen Fleischer das Messer und durchstieß damit der Tochter die Brust. So endigte im Jahr 305 nach Roms Erbauung die eben so tugendhafte, als schöne V., nachdem sie kaum das 15. Jahr zurück gelegt hatte- Ihre tief betrübte Familie ehrte ihr Leichenbegängniß durch große Pracht. Diese Begebenheit stürzte vollends das Ansehen der Decemvirn und der Senat sah sich gezwungen, dem Volke die Aufhebung dieser Behörde zu versprechen. Der Opfertod V's hat den Stoff zu mehreren dramatischen Bearbeitungen gegeben, da er durch seine hohe Bedeutung nicht nur das Interesse ihrer Mitbürger, sondern auch das der spätesten Nachwelt erregen mußte.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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