Jerusalem

Jerusalem

Jerusalem, die Hauptstadt von Palästina, die heilige Stadt, wo unser Heiland gelehrt und geblutet, wo David zur Harfe sang und Salomo herrschte, wo sich dem einzigen Gotte der prachtvollste Tempel erhob, wo Zions Feste im heiligen Glanz leuchtete, Jerusalem, einst von einer Million Menschen bevölkert, deren Anzahl sich an hohen Festen noch verdreifachte, gleicht jetzt einem großen Kirchhofe voll zerstreuter Trümmer und liegt wüst und leer, mitten in einer steinernen Landschaft. Seine Straßen sind todt und öde; nur selten unterbricht die Stille der Hufschlag eines türkischen Rosses. Auf dem ungeheuern Raume, mitten zwischen den weitläufigen Ruinen wohnen nur 39,000 Menschen, worunter 20,000 Christen aller Confessionen, 7000 Türken und 3000 andere Religionsverwandte. Die Stadt zählt 56 christl. Klöster, viele Moscheen, Synagogen und Bethäuser. Jährlich wallfahrten hierher zu der Grabes- und Kreuzigungsstätte des Heilands gegen 2000 Pilgrime, die meistens in dem großen Franziskanerkloster des Erlösers Pflege und Unterkunft finden Nur gegen eine bedeutende Abgabe an Geld ist es ihnen gestattet, die heiligen Oerter zu besuchen und dort ihre Andacht zu verrichten; denn der Pascha von Damaskus, in dessen Gebiete J. liegt, bezieht dieselbe als eine Revenüe. So liegt das gestürzte, mehrmals zerstörte, von seinem in alle Welt zerstreuten Volke verlassene Zion in trauriger Umgebung am Abhange eines Basaltfelsens, selbst von Felsen umschlossen. Alte Mauern umzingeln die einst so prächtige Stadt; hier und da ragen aus den niedrigen, flach gedeckten Häuserreihen Minarets und Moscheen, Tempelkuppeln, Klosterthürme, Cypressen- und Aloegebüsche. Aber über Alles scheint der Schleier einer tiefen Trauer gebreitet, einer Trauer aus jener Zeit, wo der Vorhang des Tempels zerriß, die Erde bebte, die Sonne sich verfinsterte und der Gekreuzigte seine Seele dem Vater empfahl. Wie einförmig, zur Melancholie stimmend ist eine Wanderung durch diese engen, winkeligen Gassen, über welche während des Tages zum Schutze gegen die Sonnenhitze Tücher gespannt werden, über diese schmutzigen Bazars, an den armseligen, vom Staube der ungepflasterten Straßen umwirbelten Kramladen vorüber. Diese so traurig belebte Einöde macht noch einen tiefern, schmerzhaftern Eindruck, als Palmyra's ganz menschenleere, weite Ruinen. Christen und Juden, von den Türken gehaßt und bedrückt, wandeln freudelos umher, kenntlich an dem blauen Turban, welchen ihnen das Gesetz vorschreibt. Ihre Frauen zeigen sich nur tief verschleiert und nur die fremden Pilgerscharen bringen auf kurze Zeit Leben in die Stadt. Hier aber findet der Christ noch die ihm ewig heiligen Stellen seiner Religionsgeschichte. In der Stadt wie in der Umgebung erblickt man noch eine Menge Gräber und Denkmäler der christlichen Vorzeit, die selbst von den Muhamedanern heilig gehalten werden. Außerhalb der Stadtmauern sieht man ringsum nichts als dürre, blaue Berge, nackte Felsen. Weiter im Osten liegt die sonstige Palmenstadt Jericho, zwei Stunden südl. Bethlehem mit seinen Merkwürdigkeiten; 1½ St. westl. das griech. Kloster des heil. Johannes d. Täufers mitten in der Wüste, wo er gepredigt, und das Haus der heil. Elisabeth; eine halbe St. vom Oelberge Bethanien, das Grab des Lazarus, nördlich nach Emmaus hin die Grotte des Propheten Jeremias, und so auch in der nächsten Umgebung die Trümmer der Grabmäler der Könige und Richter in Israel. An all' diesen heiligen Stätten wohnen Christen, welche Rosenkränze und Reliquien an die fremden Pilger verkaufen; was jedoch nur gegen eine schwere Abgabe an die Türken gestattet ist. Jerusalem wurde vielmal zerstört; zuerst 586 vor Chr., als die Juden in die babylon. Gefangenschaft geführt wurden; später, im J. 70 unserer Zeitrechnung, von wo das israelitische Volk in alle Länder der Erde zerstreut ist; zum dritten Male 118 unter Kaiser Hadrian, der die Stadt zwar wieder aufbaute, sie aber den Juden gänzlich verschloß. Später wurde sie von Persern, Arabern, Seldschuken, Christen und Türken vielmal erobert; hier behauptete sich 100 Jahre lang in Folge der Kreuzzüge ein christl. Königreich – und hier herrscht jetzt der Stellvertreter des Pascha's von Damask, und die Wiege des Christenthums befindet sich in den Händen von Barbaren.

J.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Jerusalem — Jérusalem Wikipédia …   Wikipédia en Français

  • JÉRUSALEM — Métropole en pleine expansion dans tous les domaines et dont l’État d’Israël a fait sa capitale, Jérusalem s’étend sur 10 000 hectares et compte 500 000 habitants en 1989, dont 361 000 Juifs. Parmi ses visages multiples, il en est plusieurs qui… …   Encyclopédie Universelle

  • Jerusalem —    Jerusalem is Israel s largest city and its declared capital. It is a holy city for Jews, Christians, and Muslims. In 1947, when the United Nations voted to partition Palestine into a Jewish state and an Arab state, Jerusalem was to be… …   Historical Dictionary of Israel

  • Jerusālem — (in den Keilinschriften Ursalimmu, in den Hieroglyphen Schalam, griech. und lat. Hierosolyma, hebr. Jeruschalajim, »Wohnung des Friedens«, bei den Arabern El Kuds, »das Heiligtum«, bei den Türken Küdsi Schêrif genannt), die alte Hauptstadt… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Jerusalem — Je*ru sa*lem (j[ e]*r[udd] s[.a]*l[e^]m), n. [Gr. Ieroysalh m, fr. Heb. Y[e^]r[=u]sh[=a]laim.] The chief city of Palestine, intimately associated with the glory of the Jewish nation, and the life and death of Jesus Christ. [1913 Webster]… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Jérusalem d'or — (en hébreu : ירושלים של זהב Yeroushalayim shel zahav) est le titre d une chanson populaire israélienne écrite par Naomi Shemer en 1967 et chantée par Shuli Natan. Elle fut ensuite reprise par de nombreux artistes, notamment par Ofra Haza qui …   Wikipédia en Français

  • Jérusalem — is a grand opera in four acts by Giuseppe Verdi set to a French libretto by Alphonse Royer and Gustave Vaëz which was partly translated and adapted from Verdi s original 1843 Italian opera, I Lombardi alla prima crociata . It was Verdi s first… …   Wikipedia

  • Jerusalem d'or — Jérusalem d or Jérusalem d or (en hébreu : ירושלים של זהב Yeroushalayim chel zahav) est une chanson populaire israélienne écrite et chantée par Naomi Shemer en 1967. La chanson fut écrite à la veille de la guerre des Six Jours et de la… …   Wikipédia en Français

  • Jérusalem D'or — (en hébreu : ירושלים של זהב Yeroushalayim chel zahav) est une chanson populaire israélienne écrite et chantée par Naomi Shemer en 1967. La chanson fut écrite à la veille de la guerre des Six Jours et de la conquête par Tsahal de Jérusalem… …   Wikipédia en Français

  • Jérusalem en or — Jérusalem d or Jérusalem d or (en hébreu : ירושלים של זהב Yeroushalayim chel zahav) est une chanson populaire israélienne écrite et chantée par Naomi Shemer en 1967. La chanson fut écrite à la veille de la guerre des Six Jours et de la… …   Wikipédia en Français

  • Jerusalem [1] — Jerusalem (Gesch.). Die ersten geschichtlichen Einwohner J s waren wahrscheinlich die Jebusiter (s.d.), die sie 50 Jahre nach Melchisedek, welcher[794] der Stadt angeblich den Namen Salem gegeben hatte, eingenommen haben sollen. Sie bauten auf… …   Pierer's Universal-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”