Harlekin

Harlekin

Harlekin, eine komische Maske des italienischen Lustspiels. Seine Rolle ist die eines einfältigen, tölpischen, unverschämten, nach Witz haschenden Bedienten, der bei der größten Selbstliebe doch seinem Herrn treu ist und Andre zur Zielscheibe seiner Sarkasmen und Ranke macht. Dabei ist er gefräßig, spricht den Dialekt von Bergamo und muß ein gewandter Springer sein, um allerlei Geniestreiche und Saltos zum Ergötzen des Publikums auszuführen. Seine Tracht besteht in einem kleinen Filzmützchen, das den kahl geschornen Kopf deckt, einer schwarzen Larve, einem Kleide von dreieckigen bunten Läppchen in grellen Farben zusammengesetzt, einer weiten Krause, Pantöffelchen und einer Pritsche. Schon die alten Römer, von denen eigentlich das in Italien nachher so beliebte, extemporirte Lustspiel (commedia dell' arte) abstammt, kannten den Harlekin, nur war sein Charakter wo möglich noch roher und unanständiger. Die Larven waren auf den gewaltigen Theatern der Alten deßhalb eingeführt, weil sie den Schall der Stimme verstärken und weil es keine Actricen gab, sondern Männer die Frauenrollen übernahmen. Schon damals stand die Tragödie dem meist unsittlichen Lustspiele in der Meinung der Bessern siegreich gegen über, bald sank dieß gänzlich und seine unwürdigen Darsteller wurden gemeine Possenreißer. Gegen Ende des 15 Jahrhunderts fand die Wiedergeburt der regelmäßigen Komödie Statt, sie blieb aber freilich nur das Eigenthum der Gebildetsten, die sie zu schätzen verstanden. Die Schauspieler von Profession zogen nach wie vor im Lande herum und führten ihre Lustspiele aus dem Stegreif auf, wobei sie bloß oberflächliche Skizzen des Inhaltes entwarfen, das Ausfüllen des Dialogs aber, und die ziemlich derben Späße der Gunst des Augenblicks und den Eingebungen des Harlekins überließen. Die Geistlichkeit trat endlich gegen diese sittenverderbende Volksunterhaltung auf; und die ernsten Mahnungen des Erzbischofs von Mailand, Carlo Borromeo, hatten den glücklichen Erfolg, daß diese improvisirten Komödien einer strengern Kritik unterworfen wurden. Nun regten sich auch die vorzüglichern Köpfe unter den Angefochtnen, und dem Flaminio Scala, Direktor einer solchen wandernden Gesellschaft, gebührt der Ruhm, zuerst eine bessere Darstellungsweise, wobei er die commedie erudite zum Muster nahm, eingeführt zu haben. Er behielt allerdings die Lieblinge der Menge, die beiden Zanni, d. h. Arlechino und seinen Zwillingsbruder Scapino, bei, allein er gab ihren Leistungen eine bessere Richtung und nun fanden sie Nachahmer in Frankreich, wo sie vielen Beifall einernteten Das heutige Theater an der porte St. Martin war schon damals der zwar weit amseligere, aber vielbesuchte Schauplatz dreier lustiger Vögel, die dort in einem gemietheten Ballsale mit Masken auftraten und nach Art der Italiener Lustspiele aus dem Stegreife aufführten, aus denen später die parades entstanden. Unter Heinrich III. kam der wahre Harlekin mit einer italienischen Truppe nach Frankreich, ward aber dort erst einheimisch, als der Herzog von Orleans, Regent während der Minderjährigkeit Ludwig's XV. den berühmten Direktor Ludwig Riccoboni mit seiner Truppe nach Paris zog. Diese vereinigte sich später mit der opéra comique man gab nur Stücke in französischer Sprache und der Charakter des Harlekins wurde schelmischer und seiner 1741 erschien zu Paris der Liebenswürdigste aller Harlekine, der geist- und gemüthreiche Carlin (Carlo Bertinazzi), derselbe, von welchem die bekannte Correspondenz des Harlekins mit dem Papste herrührt. Beide hatten einander in der Jugend gekannt und wohl konnte nichts ehrender für Carlin sein, als daß der Beste aller Päpste, der herrliche Ganganelli, ihm die frühere Freundschaft erhielt, nachdem das Schicksal sie so weit aus einander geworfen und den Einen zur dreifachen Krone, den andern auf die Bühne geführt hatte. Eindamaliger Dichter sagt von Carlin

Dans ses gestes, ses tons, c'est la nature même;

Sous le masque on l'admire à découvert on l'aime.

Bei den Deutschen gefiel der italienische Harlekin, den Bastiark 1694 daselbst auf's Theater brachte, ebenfalls sehr und that das Seine, den hier schon lange eingebürgerten Hanswurst etwas weniger plump und gefräßig zu machen. Das Essen übte überhaupt in früherer Zeit, wie die Namen der eigenthümlichen Spaßmacher der Franzosen (Jean potage), der Holländer (Pickelhäring), der Engländer (John Pudding), welche immer von einem nationellen Lieblingsgericht entlehnt sind, beweisen, einen bedeutenden Einfluß auf die Farce aus. Peter Probst, ein Zeitgenosse von Hans Sachs, führte den echt deutschen Hanswurst zuerst 1553 bei den Fastnachtsspielen ein. Im Jahre 1708 trat Joseph Stranitzky im Kostüm eines salzburger Bauers zu Wien auf, und brachte durch sein ausgezeichnetes Spiel die Tölpelhaftigkeit dieser Rolle dem Possierlichen des leichten Bergamasken näher. Ihm folgten Prehhauser, Schönemann und Franz Schutz durch vorzügliche Leistungen in dieser Gattung; wie aber der fortschreitende feinere Geschmack die komische Gestalt des Hanswurst's oder Harlekins in der Form zu verwerfen begann, da bot Schönemann in Berlin selbst mit die Hand, ihn zu verbannen. Dem Freiherrn von Pendel und dem pedantischen Gottsched, nebst der einst berühmten Neuber, gelang es zu Wien und Leipzig, ihn gänzlich von der Bühne zu verdrängen, obgleich Lessing, Moser u. A. die Stimmen für seine Beibehaltung erhoben. Die Revolution vertrieb Arlechino's rosenfarbene Thorheiten auch aus Frankreich, und somit hat er sich denn gegenwärtig gänzlich in sein heiteres Mutterland, das sonnige Italien, zurückgezogen. Dort erfreuen seine Lazzi (Geberden und Scherze augenblicklicher Erfindung) noch allgemein und dort blieb ihm auch Arlechinetta oder Colombine, sein Lieb und zweites Ich, ein hübsches, junges und pfiffiges Mägdlein in eben so bunter Kleidung als die seinige. Scapin, Harlekins Bruder, Pulleinella und Brighella, Pantalone und Dottore, der Scaramuccia und Tartaglia, Capitano und Narcissino, sind seine trauten, vorzüglichsten Gefährten.

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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