Woll-Poussirkunst

Woll-Poussirkunst

Woll-Poussirkunst, nennt man am richtigsten die Stickerei von seiner Wolle, welche zwar abgeschoren wird, aber nicht auf glatter sammtartiger Oberfläche die Theile des abgebildeten Gegenstandes nur durch Licht und Schatten, sondern durch wirkliche Höhen und Tiefen wiedergibt. Diese Arbeit ist französischen Ursprungs und eignet sich am Besten zur Darstellung vierfüßiger Thiere und einiger Arten Vögel. Nicht leicht hat eine Frauenarbeit bei ihrem ersten Erscheinen in Deutschland mehr Aufsehen gemacht, als diese, und die abenteuerlichsten Vermuthungen, wie sie wohl nachzuahmen sei, veranlaßt. Das ganz einfache Verfahren ist folgendes: Sobald die Zeichnung eines Thieres mit Tusche auf Canevas, oder lieber dichten Stoff entworfen worden, beginnt man die niedrigsten Partien, wie Leib und Füße, nach dem vorliegenden, farbigen Modell. Zu diesem Ende wird mit doppelter, nach der Größe des Thiers, auch vierfacher Zephyrwolle, ein dünnes Fischbeinstäbchen (ungefähr halb Nagel hoch) dicht überstochen und zwar auf dem Contour. Ist dieß geschehen, so füllt man die Schattirungen, immer nach dem Muster, in den leeren, umgrenzten Raum mit dichten Stichen, die als hohe Schlingen stehen bleiben und vermittelst der linken Hand zurückgehalten werden, während die rechte unbehindert fortarbeitet. Ist dieß beendet, folgen die höhern Partien, als Schenkel, Kopf, Ohren, welche am Höchsten gestochen werden müssen. Hierauf endlich geht es zum Abscheeren über. Von der Geschicklichkeit, womit dieß geschieht, hängt Alles ab, und zwar hat man besonders darauf zu sehen, die Theile 'nach den Contouren zu, hübsch abzurunden und sich nicht lediglich mit Gerade-Abschneiden zu begnügen. Um solchen Damen, die vom Zeichnen gar nichts verstehen, die Sache zu erleichtern, kann man auch im Innern zuweilen Fischbein überstechen lassen (daß das Fischbein wieder herausgezogen und bei Biegungen nach Befinden neu angesetzt wird, versteht sich wohl von selbst), wie z. B. bei Falten des Leibes, oder gestreiftem Fell. Flecken müssen auf dem Grunde durch Tusche angegeben sein, so gut wie die Hauptschattirungen. Das Beiwerk, als: Landschaft, Kissen etc., wird stets am Schönsten in derselben Manier wiedergegeben und zwar Rasen im Vordergrund glatt abgeschorner Sammetstich, Wasser und ferne Berge in Plattstich; das Laub mit kleinen nach Baumschlagform gestellten Schlingenstichen, massenweis über einander gehäuft; Baumstämme unterlegt und überstochen; Kissen werden nach der Rundung abgeschoren und am Hübschesten mit wirklichen, aufgenähten Quästchen an den Ecken verziert. Solche Dinge in Canevas Kreuzstich zu nähen paßt nicht zum Ganzen. Etwas sehr Belohnendes ist die Abbildung von Schwänen zwischen Röhricht und Wasserlilien und Seerosen. Der zarte Flaum ihrer Brust und des schlanken Halses geräth trefflich in seiner weißer Zephyrwolle und die Flügelfedern werden durch dicke Wolle vorgestochen und mit glatter Ueberlage gedeckt, wie die Blumen bei der Naturstickerei. Man kann auf diese Art ein allerliebstes Bild fast malen, vorzüglich wenn der Wasserspiegel in richtigen Nüancen durch Plattstich gut vorgestellt wird. Das Schilf und sonstige Pflanzen müssen nach den Regeln der Perspective bald platt, bald erhaben genäht werden. Befinden sich Blüthen der weißen, auf grünen Blättern schwimmenden Nymphäa dabei, so übersteche man diese, um eines herrlichen Effects gewiß zu sein, mit weißer, offener Seide. Eine Hauptnoth bei solch größern Bildern zu Ofenschirmen ist, daß es keinen luftfarbenen Stoff gibt. Am besten wird daher geglättete Leinwand genommen, eingespannt und auf diese die röthliche Färbung des Himmels gemacht. Darüber zieht man hellblaue Gaze-Iris und stickt dann auf diesen recht täuschenden Grund, der eine vortreffliche Wirkung hervorbringt. Papageien, Fasanen etc. boussirt müssen jederzeit die Flügelfedern nicht sammetartig, sondern durch überstochene Unterlagen vorgestochen erhalten. F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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