Tasso, Torquato

Tasso, Torquato

Tasso, Torquato. Wer kennt nicht das lebensvolle Portrait dieses unglücklichen Dichters, in dessen Auge die Flamme der Begeisterung, umdüstert von Träumen des Wahnsinns zuckt? Dunkel flicht sich in das verworrene Haar das finstere Blatt des Lorbeers, als wolle es die trübe, mißtrauische Stirn des Dichters glätten und ihm wiedergeben den Frieden eines Herzens, das sich selbst genug ist, weil es heiß und liebevoll schlägt für eine ganze Welt. – T. war der Sohn Bernardo Tasso's, eines als Dichter von seinen Landsleuten geachteten Mannes, der viele Auszeichnungen an fürstlichen Höfen genossen hatte. Sein Sohn Torquato ward am 11. März 1544 zu Sorrent geb., in jener entzückenden Gegend, unweit Neapel, die der poetische Sinn des Volkes nicht mit Unrecht ein Stück auf die Erde gefallenen Himmels nennt. Die mannigfachen Eindrücke, welche die wunderbar reizende Umgebung, des Meeres brennende Tinten, das dunkle Himmelblau, in dessen unergründliche Tiefen der schwarze Dampf des Vesuv wie Weihrauchwolken hinabrollt, die üppige Vegetation, das muntere, im süßen Nichtsthun glückliche Volk – auf ihn machten, weckten frühzeitig seine ungewöhnlichen Anlagen. Dennoch schien in des seltsamen Kindes Seele keine heitere Welt sich zu entfalten. Der Knabe lachte nie, Spiele haßte er; träumerisch nur saß er am Meeresufer, und ein Ernst, der an Schwermuth grenzte, verdüsterte schon damals sein dunkel brennendes Auge. Vom siebenten Jahre an fiel er in die Hände der Jesuiten, die damals vorzugsweise den Unterricht in Schulen leiteten. Nach dreijährigem Aufenthalt in ihren Schulen, den er zu einer gediegenen Bildung fleißig benutzte, kehrte er zurück zu seinem Vater, der sich damals in Rom aufhielt. Später begleitete er ihn nach Bergamo und von da nach Pesaro, wo sein Vater in die Dienste des Herzogs von Urbino trat. Noch öfters trat ein Wechsel des Aufenthaltsortes in seinen frühesten Jugendjahren ein, der vielleicht nicht günstig auf die Gemüthsstimmung des Knaben wirkte. Er hielt sich ein Jahr in Venedig auf und besuchte dann die Universität zu Padua, um die Rechte zu studiren. Doch sagte diese Wissenschaft ihm eben so wenig zu, als dem Petrarca. Poesie und Philosophie zogen ihn mächtig an und noch nicht 17 Jahre alt, machte er sich durch ein episches Gedicht in zwölf Gesängen, Rinaldo, bekannt, das er dem Kardinal Lodovico von Este widmete. Da man dieses Erstlingswerk günstig aufnahm, willigte endlich sein Vater, obwohl widerstrebend, ein, das Rechtsstudium zu verlassen. Mit Eifer gab sich T. von nun an seiner Lieblingsbeschäftigung hin und begann den Entwurf zu einem epischen Gedichte, die Eroberung Jerusalems. Ein unglückliches Mißverständniß, nach dem er der Verf. eines satyrischen Gedichtes sein sollte, zog ihm in dieser Zeit eine gerichtliche Untersuchung zu, wodurch er einige Zeit in seinen Studien gestört ward, die er jedoch bald wieder aufnahm. Der Kardinal Lodovico von Este ernannte ihn zum Hofcavalier und berief ihn nach Ferrara, um der Vermählung seines Bruders Alphons mit einer östreichischen Erzherzogin beizuwohnen. Bei dieser Gelegenheit lernte er die beiden Schwestern des Herzogs, Lucretia und Leonore, kennen, die in hohem Grade liebenswürdig, den jungen Dichter mit Gunstbezeugungen überhäuften und ihn vermochten, sein unterbrochenes Epos wieder vorzunehmen. T. unternahm eine kleine Reise nach Oberitalien, kehrte dann nach Ferrara zurück und ging an die Ausarbeitung des Gedichtes, das er jetzt dem Herzog Alphons zu widmen und überhaupt das ganze Fürstenhaus möglichst darin zu verherrlichen beschloß. Zu seinem Unglück faßte er eine Neigung zu einer jungen Dame, Lucretia Venadidio, die er in Gedichten besang und sich dadurch die Feindschaft des Secretairs Pigna zuzog, der als sein Nebenbuhler auftrat. Indeß nahm die Fürstin Leonore sich des Dichters an und suchte das Uebel möglichst zu entfernen. Nach dem Tode seines Vaters, der ihn tief betrübte, doch nicht in der Ausarbeitung seines Gedichtes unterbrach, reiste er mit dem Kardinal von Este nach Frankreich an den Hof Karl's IX. Der Dichter Ronsard ward hier sein Freund und der König überhäufte ihn mit Auszeichnungen. Durch ein rücksichtsloses Besprechen der damaligen Verhältnisse, in die auch der Kardinal verwickelt war, verlor er plötzlich dessen Gunst und gerieth sogar persönlich in Noth. Ein mit Mühe erlangter Urlaub führte ihn indeß wieder nach Italien; er ging nach Rom und trat in des Herzogs Alphons Dienste, die ihm aber vollkommene Freiheit sicherten. Der Tod der Gemahlin des Herzogs störte bald darauf abermals sein Glück. Neue Reisen, neue Widerwärtigkeiten warfen den Dichter aus einer Unruhe in die andere. Nichts desto weniger schrieb er in dieser Zeit den Aminta, ein Drama, das Herzog Alphons mit großem Glanz aufführen ließ und dem Dichter dadurch hohen Ruhm verschaffte. Dieß Gedicht erwarb ihm die Gunst der Prinzessin Lucretia von Este, bei der er schöne Tage auf dem Castel Durante verlebte in der vertraulichsten Freundschaft. Endlich im Jahre 1575 beendigte er sein Jerusalem Als er dieß Werk seinen Freunden zur Beurtheilung vorlegte, fielen die Meinungen so verschieden aus, daß Tasso, von Ungewißheit gepeinigt, darüber krank wurde. Nach seiner Genesung ging er an die Umarbeitung, wobei der Herzog ihn mit der schonendsten Sorgfalt behandelte. Er mußte ihn überall hin mit begleiten, und Lucretia wünschte sogar nach der Trennung von ihrem Gemahl den Dichter immer um sich zu haben. Dennoch suchte Tasso sich frei zu machen auf einige Zeit, nahm Urlaub nach Rom, um dort die Umarbeitung zu beendigen, und erhielt hier den Antrag, in die Dienste des Großherzogs von Toskana zu treten. T. lehnte dieß Anerbieten ab, um nicht undankbar gegen das Haus Este zu erscheinen. Er ging zurück nach Ferrara und lernte jetzt die schöne Gräfin Leonore Sanvitali kennen, die er auf alle mögliche Weise zu verherrlichen suchte. Durch anderweitige Verhältnisse noch an das Haus Este gebunden, verursachte dem Dichter die Nachricht viel Kummer, daß sein Gedicht in einer Stadt Italiens gedruckt worden sei, wodurch ihm jeder Vortheil verloren ging. Er ward schwermüthig, glaubte sich von Neidern umringt, von Jedermann verfolgt, und das bewog ihn einst im Zimmer der Herzogin von Urbino den Degen gegen einen ihrer Diener zu ziehen. Darauf ließ ihn der Herzog verhaften und nur unter dem Versprechen frei, daß er sich ärztlich behandeln lassen wolle. Auf kurze Zeit ward T. ruhig, bald aber verschlimmerte sich seine Schwermuth und in einem trüben Moment ergriff er die Flucht, entblößt selbst von dem Nothwendigsten. Er eilte nach Sorrent zu seiner Schwester Cornelia, die ihn liebevoll aufnahm. Bald jedoch bereute er seine Flucht und war bemüht durch Briefe den Herzog zu versöhnen. Auch erreichte er, was er wünschte. Er kehrte zurück nach Ferrara, doch nur, um es noch schwermüthiger bald wieder zu verlassen. Unruhig, mißmuthig, sich selbst Feind, irrte er von Ort zu Ort, bald bei diesem, bald bei jenem Freunde und Gönner kurze Zeit verweilend. Endlich betrat er nochmals Ferrara, fand sich aber jetzt überall mit kalter Gleichgültigkeit behandelt, mußte Spott und Verachtung ertragen, und erhielt nicht einmal Zutritt bei dem Herzog. Das bewog ihn, in einer Aufwallung bittern Zornes heftige Schmähungen öffentlich gegen das ganze Haus Este auszustoßen, worauf der Herzog befahl ihn als einen Wahnsinnigen in das St. Annenhospital zu bringen und als einen Rasenden zu behandeln. Die eigentliche Veranlassung zu diesem Befehl ward aber größtentheils dem Liebesverhältnisse zugeschrieben, in dem T. zu Leonoren stand. Diese Behandlung machte ihn in der That wirklich zu dem, was er noch nicht war. Trüber Wahnsinn umfing ihn, seine Seele bedeckte sich mit Nacht, durch die nur momentan die freundlich hellen Sterne des begeisterten Dichters schimmerten. Dann schrieb er an der Umarbeitung seines Gedichts. Unterdeß war dieß längst gedruckt und in 6 Monaten 6 Auflagen verkauft worden, ohne daß man des unglücklich Gefangenen dabei im geringsten gedacht hätte. Nach langem Bitten erhielt er endlich mehrere Zimmer, empfing nun Besuche, und es ward ihm sogar erlaubt, wieder in Begleitung einer einzigen Person auszugehen. Um sein Unglück zu vermehren, erschien jetzt auch eine Schrift über sein befreites Jerusalem, worin Tasso weit über Ariost gestellt wurde. Diese Aeußerung gab die Veranlassung zu einem heftigen Streit, und die Anhänger Ariost's begannen T's Dichtung auf das Unbarmherzigste herabzuwürdigen. T. mischte sich selbst in den Streit und schrieb, doch mit großer Würde und Ruhe, gegen seine Feinde. Mittlerweile verwandten sich die bedeutendsten Personen der damaligen Zeit, selbst Gregor XIII. für den Dichter bei dem Herzoge. Dieser versprach, hielt aber nicht sein Wort, wodurch sich des Dichters Zustand immer mehr verschlimmerte und wiederholt in wirklichen Wahnsinn überging. Endlich nach siebenjähriger Gefangenschaft ließ sich der Herzog erweichen und T. ward dem Fürsten von Mantua übergeben, der seinerseits dem Herzoge versprechen mußte, daß er nie etwas von T. zu befürchten haben solle. In Mantua ward der Dichter wohlwollend aufgenommen, doch blieb er verdüstert, obgleich er noch mehrere Arbeiten vollendete. Nach dem Tode des Herzogs von Mantua ging er nach Rom, später im März 1588 nach Neapel. Hier arbeitete er sein befreites Jerusalem gänzlich um und tilgte die Lobsprüche auf das Haus Este. Noch öfters wechselte er von jetzt an seinen Aufenthaltsort, und erst nach Jahre langem Umherstreifen fand er in Rom am 25. April 1592 die Ruhe im Tode, kurz zuvor. ehe er als Dichter auf dem Capitol gekrönt werden sollte. – Tasso's befreites Jerusalem gehört unter diejenigen Dichterwerke, die nie veralten werden. Sein Leben gab Göthe Veranlassung, sein berühmtes Drama zu dichten, dem in neuerer Zeit Raupach und Zedlitz Fortsetzungen folgen ließen. Zwar fehlt T. die objective Weltanschauung, desto größere Reize aber hat seine Poesie, wenn sie in die Tiefen der eigenen Empfindungen hinabsteigt, wo der Dichter ganz aufgeht in den entzückendsten Träumen. Wie Ariost und Petrarca wird auch Tasso immerdar ein Liebling der Frauen bleiben, deren zartes Gemüth sich so gern dem Leidenden anschließt und, sei's auch nur mit verschwiegenen Thränen, selbst den Schatten eines vergangenen Unglücks noch von dem Geiste dessen zu verscheuchen sucht, der es tragen mußte, weil das Geschick es so verlangte.

W......m.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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