Tanhäuser, die Sage vom

Tanhäuser, die Sage vom

Tanhäuser, die Sage vom. In einem Berge hielt Frau Venus (s. d.) prachtvollen unterirdischen Hofhalt; ein edler Ritter Tanhäuser, vielleicht jener Minnesänger Tanhuser, von dessen Liedern und Gedichten Einiges bis auf unsere Zeit erhalten ist, ein vielgereister Mann, ging em durch die Bergeskluft, und kam zu dem Liebeshof, dem das heidnsche Götterweib als Königin vorstand. Dort ging es hoch her; alle nur erdenkliche Sinnenlust erfreute die Herabgestiegenen, und hielt sie in dämonischen Netzen fest. Tausend Liebeswunder offenbarten der Frau Venus Macht, und Tanhäuser war überglücklich. Schon neigte sich ein im steten Freudentaumel der Lust und Liebe verbrachtes Jahr zu Ende, als nun das Gefühl der Uebersättigung sich einstellte, der Glanz des Zauberberges dem Ritter matt, die Pracht farblos erschien. Er begann sich zurückzusehnen nach dem Erdenlicht, nach den freundlichen Sonnentagen, den milden Mondnächten; nach Gebet und Gottesverehrung, von denen unten in dem heidnischen Lufttaumel keine Rede war. Und er offenbarte seiner Königin den drängenden Herzenswunsch. Da ward Frau Venus betrübt, und sprach zu ihm mit süßer Schmeichelrede: »Du willst mich verlassen? Hält Dich mein Mund, der zu allen Stunden lächelt, nicht zurück? Genügt Dir meine Liebe nicht mehr? Wohlan, suche Dir anderes Lieb unter den holden Mädchengestalten, die meinen Hofstaat bilden. Doch Tanhäuser blieb fest; er bereute zu sehr die Sünde, ein Jahr im Venusberge verweilt zu haben, und sprach: »Sollte mir droben nimmer Vergebung werden, dann nimm mein Wort, daß ich zu Dir zurückkehre, und bei Dir bleibe bis zum jüngsten Tag. Jetzt aber in Mariä, der Sobenedeiten Namen, laß mich ziehen!« Wie Tanhäuser den hochheiligen Namen aussprach, versuchte ihn das heidnische Götterweib nicht länger, sondern ließ ab von ihm, und er trat wieder aus der Bergeshöhle an das freudige Tageslicht. Reuige Bußfahrt nach Rom trat der edle Ritter nun an, fester Hoffnung, daß seine Sünde ihm verziehen werde. Damals saß auf dem päpstlichen Thron Urban, der Strenge, und ihm beichtete Tanhäuser die schwere, hart verpönte That. Grausam scheltend fuhr der Papst auf, und versagte dem Büßer Gnade und Vergebung. Dieser flehte, ihm nux ein Jahr zur Buße zu vergönnen, aber: »Nein!« schrie der zornige Papst, stieß seinen Kreuzesstab in den Boden, und rief: »So wenig dieses dürre Holz grünen und blühen kann, so wenig kannst Du Sünder Gnade erlangen hier unten von mir, und droben von Gott! Du bist verflucht.« Darauf ging in tiefster Seelenkümmerniß Tanhäuser hinweg von dem päpstlichen Thron, aus dem Vatican, aus Rom, immer weiter. Und als drei Tage vergangen waren, siehe, da grünte und blühte der dürre Stab Urban's, und dieser sah nun, daß Gott nicht wollte, daß die Priester den bereuenden Sündern Mißtrost neben sollten. Er sandte ringsum Eilboten aus, zu sehen, wo Tanhäuser hingekommen wäre, ihn zurückzurufen, aber ihrer keiner fand ihn und brachte ihn wieder. Er war, treu seinem Wort, zurückgekehrt in Frau Venus Berg, darin er nun beharren muß, bis zum jüngsten Tag. Das ist die Sage von dem Tanhäuser, wie ein altes Lied sie der Nachwelt treulich aufbewahrt hat.

–ch–


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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