Spindler, Karl

Spindler, Karl

Spindler, Karl. Dieser vielgelesene Romandichter wurde 1797 zu Breslau geb., kam aber bald darauf mit seinen Eltern nach Straßburg, wohin sein Vater als Musikdirector berufen worden war. Wegen eines Jugendstreichs, der lediglich auf Rechnung seiner kindischen Unbesonnenheit gesetzt werden kann, wurde S. als Knabe vor Gericht gezogen, und sollte, da das Gesetz ihn verurtheilte, nach dessen ganzer Strenge bestraft werden; doch rettete ihn noch sein Advocat, indem er rechtlich erwies, daß S. in Folge seines Alters noch gar nicht straffähig sei. Laut jubelte das Volk bei seiner Freisprechung und im Triumph trug es ihn auf den Schultern aus dem Gerichtssaale. Nach diesem Vorfalle betrieb S. in ruhiger Muße und mit dem Ernste wissenschaftlichen Geistes seine Schulstudien, und studirte die Rechte in Straßburg; allein eine eigene Neigung, sowie die mancherlei unangenehmen Conflicte, in welche das äußere wie innere Stillleben wissenschaftlichen Bestrebens im Strudel der Welt gerathen kann, führten ihn später der Bühne zu. 10 Jahre widmete er der Thalia seine ganzen Kräfte, ohne sich indessen mit seinen Leistungen über die Mittelmäßigkeit erheben zu können. Doch sein Geist machte sich endlich von diesen Fesseln los, in die ihn die Ungewißheit über sich selbst, das Zweifeln an seinem wahren Genius geworfen: schon als Schauspieler verfaßte er mehrere Romane, Erzählungen, sowie ein Drama, allein erst in dem »Bastard« war es, wo sein dichterisches Bewußtsein freudig emporblühte wie eine blaue Blume, die zwar noch zittert unter dem Thau von Oben, und jedem Hauche des Westwinds den Kelch neigt, aber der Sonne gewiß und des Daseins und des eigenen Blühens, schon sanft und ruhig süße Wohlgerüche entsendet. Unter den trübsten und drückendsten Verhältnissen, gequält von dem Klaggeschrei seiner darbenden Familie, hatte er dieß Kind seiner Muse an seinem Herzen groß gezogen, den »Bastard« wie sein eignes Kind gepflegt, und mit seinem eigenen Herzblute getränkt; und nun schickte er das Schooskindlein in die kalte Fremde, ungewiß, was für eine Zukunft ihm das Geschick bereite. Ein Verwandter in der Schweiz erhielt das Manuscript mit der Bitte, es um jeden Preis zu verkaufen. In Folge dieses Auftrags theilte dieser dasselbe dem ehrwürdigen Veteran, dem alten Buchhändler Orell in Zürich mit, ließ aber unglücklicher Weise S's Brief darin liegen. Nichtsdestoweniger zahlte der würdige Mann für das Manuscript 2000 Gulden; diese Summe endete alle Bedrängniß; wie ein Friedensengel erschien der »Bastard« und reichte die süßeste Labung dem unglücklichen Dichter und Vater, der von Hanau aus, wo er sich damals befand, Brief auf Brief an den unbesonnenen Vetter, um endliche Antwort gesendet hatte. Freiere Luft umwallte ihm nun die Schläfe und Schultern; melodisch wuchsen die Schwingen; Thalia trat schweigend in den Hintergrund, und Clio, bekränzt mit den Rosen der Romantik, umwallt von dem lustigen Schleier der Phantastik, reichte ihm die leuchtende Hand, um ihn fortan zu geleiten über Duft und Blume und das Blitzen goldener Schwerter in die Mährchenwelt der Wahrheit, wo die Schicksalsgöttinnen aus dunkeln, oft auch blutigen Fäden das heitere Netz weben, in denen Zähren gleich lieblichen Perlen erglänzen, und fröhliche Traumblüthen krystallenen Bechern entsprießen. Der Buchhändler Franckh in Stuttgart verband sich mit dem jungen Autor; in kurzer Zeit folgten »der Jude« (Stuttgart 1827), »der Jesuit« (ebendas. 1828), »der Invalide« (1830), und eine Reihe kleinerer Erzählungen, die er gesammelt unter verschiedenen Titeln (wie »Sommermalven,« »Kettenglieder,« Moosrosen« etc.) wieder herausgegeben hat. Unter seinen neuern Schriften sind außer der »Nonne von Gnadenzell« noch zu bemerken: »Boa Constrictor« und »der König von Zion.« 1829 begann er die Herausgabe einer »Damenzeitung,« welche 1831 unter dem Titel: »Zeitspiegel« zu München, und 1832 noch einige Zeit lang zu Karlsruhe fortgesetzt ward; und seit 1831 erscheint von ihm in Stuttgart das beliebte Erzählungstaschenbuch: »Vergißmeinnicht,« welches er bekanntlich allein schreibt. Jetzt ist er ein wohlhabender Hausbesitzer in Baden-Baden und lebt frei und geachtet in der glücklichsten Muße. – Eine reiche, oft zu üppige Phantasie, die genaue Porträtirung der Eigenthümlichkeiten und Nationalitäten einer Zeit, vornehmlich die des Mittelalters, und jenes künstlerische Seinselbstvergessen und liebende Hinüberfließen in den Gegenstand der Schilderung, welches wir Objectivität nennen, sind charakteristische Schönheiten der Spindler'schen Romane. Das umfassende Tableaux einer ganzen Zeit ist oft der helldunkle, magische Grund, auf welchem die Hauptfiguren glänzend hervortreten. Allein nur zu oft gleicht S. dem Bergstrome, der ohne Ruhe und Rast über Klippen und Blumen, über Schlachtfelder und Liliengärten dahin braust, getrieben von den Lockungen und dem Rausche des Wechsels; nur zu oft durchbricht er gewaltsam den Faden des kunstreichen Gewebes und vergißt es zu lauschen, wie der Erdgeist in seinen stillen Tiefen still und besonnen an einer Spindel den Wechsel der Zeiten windet, und wie an der vollendeten Blume nicht bloß ihre Farbe, Duft und Gestalt, sondern, und mehr noch, ihr inneres Wehen unter dem geschlossenen Kelche gefällt. Walter Scott sich zum Vorbilde nehmend, fehlt ihm doch jene epische Ruhe, die an einem Faden Sonnen und Herzen, Klänge und Thaten, die Gesammterscheinungen einer Zeit mit den liebenden Einzelnheiten einzelner Geister wie im Triumphe nach sich zieht, aus wolkenloser Höhe herabsieht auf das wildromantische Thal der Begebenheiten, und in klassischer Monotonie die Blätter und Blumen des klingenden Wunderbaums entfaltet, auf dessen Zweigen die gefiederten Sänger in ihren tausendfach verschiedenen Melodien nur immer die eine Hymne singen auf die Harmonie der Welt und der Geschichte.

S....r.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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