Spanien (Geographie)

Spanien (Geographie)

Spanien (Geographie). (Geographie.)

Lieblich weht der kühle Abend,

Himmlisch duften alle Rosen,

Und der Himmel wie die Rosen

Locken zärtlich dich gen Süden:

»Nahe, weile, lieber Fremdling,

In Hesperien's schönen Gärten

Und wer weilte nicht gern in dem zauberhaften Iberien, auf dem stolzen, oceanumrauschten Tafelrund jenseits der Pyrenäenburg; – wer sehnte sich nicht zu schauen die selige Nacht der dunkeln Locken fülle, das andalusische Augenpaar mit seinen tausend südlichen Sonnen und die dunkelrothen Lippen; – wer höbe nicht gern den duftenden Blumenschleier von dem liebeglühenden Antlitz der jungfräulichen Europa? Schon nähern wir glücklich uns dem reizenden Küstenlande Andalusiens: über uns den funkelnden Südhimmel, unten das von feurigem Gewürme wimmelnde Meer, spielende Delphine unsere Begleiter! Eine weite Bucht breitet sich aus, noch verhüllen das Land die Nebel der Ferne, aber schon röthen die Sonnenstrahlen die hohen Gebirgsspitzen, welche mit ihren Schnee- und Eisbergen gleich Schweizergletschern erglänzen. Plötzlich zerreißt ein Windstoß den lichten Vorhang, – und Titan zeigt uns das köstliche Theater in seiner ganzen Pracht: smaragdgrüne, üppige Hügel mit romantischen Ruinen, die reizenden Thalebenen (guertas), und prachtvollen Gärten, die reichen Fluren voll Ceres goldenen Segens, die in wunderbarer Fülle mit Lorbeer-, Orangen- und Granatäpfelbäumen reizend bewachsenen Weinberge, die strotzendste Vegetation des verschwenderischen Südhimmels, eingehüllt in ein Meer von Wohlgerüchen, welche die Blüthenfülle von Mandel- und Pomeranzenbäumen über dieses irdische Paradies ausströmen! Die schönsten Amarillis mit der purpurrothen und weißen Barringtonia, die Melaleucen mit ihren sonderbaren, bürstenförmigen Blüthendolden und die Düfte von tausend Hyacinthen, Pelargonien, Rosmarin und Rosen, versetzen die Sinne in die süßeste Betäubung; Citronen und Orangen beschatten mit ihren duftenden Aesten die klarsten Bäche. Wie ein Wald von Silberlanzen erscheinen die tausend Thürme der zahllosen Dörfer, die eng aneinander gekettet sich freundlich die Hände reichen, und hunderte von Bächen, murmelnde Töchter der überall Frische, Leben und Segen verbreitenden südl. Hauptströme, kreuzen und umschlingen sich mit den silbernen Armen, und durchwallen fröhlich die schattigen Olivenhaine. – Dieß ist die liebliche Wahrheit der andalusischen Gärten. Doch nicht in allen Gauen der königlichen Halbinsel ist die Wahrheit gleich schön. Während im Süden die pittoreske Magie der helvetischen Gebirge sich mit Italiens poetischer Pracht zu einem zauberischen Feengebilde vereinen, erinnern andere Gegenden beinahe an Afrika's Sandöden. Lange, eintönige, ungebaute, stille Ebenen wechseln da mit unfruchtbaren Bergen ab, die ihre schneeweißen Häupter am Ende wilder Einöden emporstrecken. Allein wer zürnt wohl den Rosenlippen und glänzenden Augen, wenn auch die bleichere Wange nicht der Wohnsitz aller Grazien ist? – So abgeschlossen und getrennt von dem übrigen Europa wie ein eigener Welttheil, umgürtet von dem blauen Gürtel Amphitritens und im Rücken geschützt von der Felsenwand der Pyrenäen, grenzt das stolze Reich, vereint in den beiden Kronen von Castilien und Aragonien, mit seinen 13, von 15,000,000 Ew. bewohnten Hauptprovinzen und Königreichen, und seinem Areal von 8800 Quadrat M., im Norden an das biscaysche Meer und Frankreich, gegen Osten an Frankreich und das mittelländische Meer, gegen Süden an das mittelländische Meer, die Meerenge von Gibraltar und den atlantischen Ocean, und im Westen an den atlantischen Ocean und Portugal. Ein natürlicher Schutzwall, trennt die gigantische Pyrenäenkette das Land ernstblickender Männer und stolzer Frauen, wie Calderon S. nennt, im Norden von Frankreich. Majestätisch erhebt sich das granitene Wundergebäude dieses Gebirges mit seinen glänzenden Gipfeln, mit seinen dunkeln Wäldern und Bergseen, mit seiner Rolandsbresche und dem Schneedom des 10,578 F. hohen Montperdü, in die Regionen des ewigen Eises empor. Hie und da sind die Thäler gesperrt durch ungeheure, wild durcheinandergeworfene Steintrümmer; andere Bergmassen sind wunderbar symmetrisch geordnet wie die Stufensitze eines grandiosen Amphitheaters, wo zu regelmäßigen Kreuzen sich die Pfeiler und Marmorthürme ordnen, wo Gletscher und Schneelager sich zierlich wie Festons in Halbkreise vertheilen, und die cylinderförmige Wand großartig das ganze Bauwerk krönt. Doch wer beschreibt würdig das, um die gigantischen Felsblöcke ausgegossene ätherische Blau? wer den 3940 F. hohen Montserrat mit seinem Benedictinerkloster und seinem 13 romantischen Einsiedeleien? wer die schönste Zierde des ganzen Gebirgs, – das himmlische Campanerthal, wo jeder Halm eine Blume, jeder Luftzug ein balsamischer Hauch, jeder Tropfen des silberhellen Adour eine Perle ist? Eben so reich an seltsam zerrissenen Felspartien, Alpenthälern, Schluchten, Wänden und Zacken ist auch das cantabrische(asturische und galicische) Gebirge im Nordwesten, welches immer längs des Oceans sich bis zum Kap Finisterre hinschmiegt, und dessen bald liebliche, bald rauhe Thäler voll aller der unaussprechlichen Schönheiten sind, die nur das Meer verleihen kann. Die Alpujares, mit ihren seltsamen und schrecklichen Felsengebilden, durchziehen die reizende Landschaft Granada. Zwischen der Provinz Estremadura und den Königreichen Cordova, Sevilla und Algarbien dehnt sich in grauenhafter Monotonie das unwegsame Waldgebirge der Sierra Morena aus, in welchem der mannhafte Junker Don Quixote so viele kurzweilige Abenteuer erlebte: in immer gleicher Höhe zieht es sich bis zum atlantischen Ocean und senkt sich stolz mit dem Vorgebirge St. Vincent in die Fluth. Die höchste Bergkette des Landes aber ist die Sierra Neyada im Süden, welche bis zur Höhe des ewigen Schnees aufsteigt, und mit ihren südwestlichen Häuptern die Vorgebirge von Tarifa und Trafalgar bildet, und wie ein Titane seine Keule, die Felsenklippen von Gibraltar gegen den alten Ocean schleudert. Viele der hügeligen Hochebenen sind von Fichten-, Eichen- und Buchenwäldern bedeckt, und leichte Baumgruppen von Korkulmen erheben sich wie duftige Halbschatten auf dem seinen Rasen trefflicher Weiden. Doch ist der Norden, sowie das Innere S's, im Ganzen sehr arm an Waldung zu nennen. Ganze Bezirke sind kahl und von röthlichgrauer Lehmfarbe, und nur kleine liebliche Gebüsche von Mandelbäumen erquicken den ermatteten Reisenden mit ihren kühlenden Schatten. Doch überall finden sich der Oelbaum, die Rebe, die Cypresse und der Maulbeerbaum mit ihrem versöhnenden Mitteltone, der die kahlen Flächen wohlthuend belebt, und das dunklere Grün der Citronen- und Orangenbäume und der Stacheleichen in den üppigern Landschaften auf das Anmuthigste hebt. Auf vielen Küstenterrassen blühen die charakteristischen Dattelpalmen, und zahlreiche hohe Schilfarten nebst den Reisfeldern bilden die reizende und eigenthümliche Phantasmagorie echtspanischer Kleinbilder. Und wer kennt nicht den lieblichen Wahnsinn, der unter den Strahlenküssen der Sonne selig-geheimnißvoll, ahnungsreich in den Ebenen von Xeres und von Malaga's Hügeln in dunkelglühenden Trauben emporschwillt? Duftet und knospet und glühet es nicht in dem Tempe des Mittelmeeres von Orangen und Feigen, Granaten und Mandeln, Zuckerrohr und Datteln? Die reichen Weizenfluren Cataloniens, der Flachs, Hanf, Waid, Krapp, Safran und das Espartogras des Nordens, die Baumwolle und die Aloe des Südens, die, Soda in Fülle liefernden, Salzpflanzen der Küsten, Andalusiens stolze Rosse, die Maulthiere der Mancha, die Schafe und Fische, Seidenwürmer, Bienen etc., – sind dieß Alles so unwürdige Geschenke der gütigen Mutter Natur inmitten der Gräuel und Stürme eines Alles zerrüttenden Bürgerkriegs? Und nur der künstlerischen Nachhülfe von Menschenhand, um diese Schätze nach den verschiedensten Richtungen hin in den Ocean zu tragen, bedürfen seine stolzen Flüsse und Ströme: der Ebro, welcher auf dem Gebirge zwischen Altcastilien und Asturien entspringt und sich bei Tortosa in's mittelländische Meer ergießt; der Minho, die Grenzscheide zwischen Spanien und Portugal, der Duero, der gewaltige Tajo, welcher in der Landschaft Aragon entquillt, die herrlichen Gärten von Aranjuez bewässert, und nach einem Laufe von 112 M. unterhalb Lissabon in den atlantischen Ocean mündet, die Guadiana der südliche Grenzfluß gegen Portugal, der Guadalquivir und der grauenhafte Tinto, der, als wäre er ein Arm des todten Meeres, Alles versteinert, was man in seine schwarze Tiefe wirft, in dem kein lebendes Geschöpf eine Heimath findet, vor dessen Grabeshauche alle Pflanzen verdorren. An den Ufern dieser Flüsse, unter dem Schatten des Paseo oder Spazierganges, den fast jeder Ort besitzt, wären es auch nur wenige Ulmen und Kastanien, lustwandelt oder träumt von vergangenen Herrlichkeiten, oder brütet über die große, blutige Zukunft der ernstblickende Spanier, in dessen Adern die heiße Mischung arabischen, altiberischen und westgothischen Blutes siedet und gähret, jener genügsame, standhafte, verschwiegene, aber auf Stamm, Geburt, Rang und Glauben stolze Spanier, der alle Tugenden der Großmuth und des Stolzes mit allen Leidenschaften des glühenden Südens vereint. In den melodischen Reizen des rauschenden Bolero (s. d.), des süßschwärmenden Fandango (s. d.), wiegt und berauscht er die Sinne; zur Mandoline singt er die leicht hingehauchten Liebesliedchen, in denen er mit feuriger Ueppigkeit die süßen Mysterien seines liebeglühenden Herzens schildert; als gälte es sein eigenes Leben, folgt er mit flammenden Blicken jeder Bewegung des Matadors in den Stiergefechten (s. d.); sinnlich-froh als ein Sohn des heißen Südens, aber zurückhaltender als der Portugiese und Franzose, ist er trotz der Unwissenheit und politischen Ohnmacht, in deren Ketten er schmachtet, doch der Erbe großer, wenn auch noch unausgebildeter Tugenden. Wie eine goldene Kette, welche den Himmel mit der Erde verbindet, umschlingen ihn die Prunkfeste der Kirche; der süßbetäubende Heiligendienst, welcher alle die süßen Wunder der alten und neuen Mysterien in seiner duftenden Myrrhen- und Weihrauchschale birgt, durchwebt seine Phantasie mit dem heitern Schimmer einer Beschaulichkeit, welche lieber dem goldenen Traume lebt als der Wirklichkeit mit ihren Sorgen und Ansprüchen; in der Madonna sieht er die reinste Jungfrau, welche durch ihren süßen Friedenskuß das Füllhorn aller Gaben verkündet, die Taube von droben gesendet, »die als Braut geschmückte Weltherstellerin, die schöne Pflanze, die Frucht, so das Gemüth mit Hoffnung weidet!« Lind und lieblich umwallt ihn die wunderbare Mährchen- und Heroenwelt echter, heimathlicher Poesie: von den Wundern Afrika's, von den Kämpfen mit den Mauren auf den weinbekränzten Höhen von Xeres de la Frontera, oder vom Alhambra und von den Wallfahrten zu dem goldenen Vließe Südamerika's. Mit edlem Stolze, erfüllt von einem ganz eigenthümlichen, chevaleresken Zartgefühle, gedenken die Granden, die Vornehmsten des Reichs, welche sich vor dem Könige bedecken dürfen, die Marquis, Grafen, Vicomtes und Ricos Hombres (wörtlich: reiche Männer), sowie auch der niedere Adel der Ritter (Caballeros), und der Edelbürtigen (Hidalgos) ihrer heldenmüthigen Ahnen, jenes Cid, des spanischen Ritters ohne Furcht und Tadel, oder der castilischen Ritter Don Suera und Don Gomez, der Stifter des Ritterordens von Alcantara, und aller der großen Heroen, welche gegen Araber wie Gallier die heiligen Rechte des heißgeliebten, nur zu unglücklichen Vaterlandes vertheidigten. Dieß sind die heimlichen, phantastischen Unterhaltungen der spanischen Edlen; denn reich an Witz, Verstand und lebhafter Phantasie haben sich ihre geselligen Talente noch nicht in der liebenswürdigen Feinheit und Anmuth entfaltet, wie sie in Frankreich in ihrer vollsten Blüthe prangen: außer dem Theater, der Stierhetze und den Spaziergängen kennt er nur noch die Tertulias, – geschlossene, einförmige Gesellschaften, welche regelmäßig zusammenkommen, leichte Erfrischungen genießen und bei denen die Dame des Hauses gleichsam der Mittelpunkt ist. Aber wer könnte wegen dieser und noch vieler andern Schattenseiten mit einer Nation rechten, welche, seit Jahrhunderten von klösterlicher Unwissenheit und jesuitischer Bosheit in den Schlamm getreten, sich jetzt im heißen Kampfe zur Freiheit und Humanität emporringt, und seine bisher schlummernden Riesenkräfte mit einer Energie entwickelt, welche die lebhafteste Aufmerksamkeit aller Denkenden, aller Freunde der Kultur erregt? Ja, der Ocean staunt und erbebt; von den Säulen des Herkules bis zum Schneescheitel der Pyrenäen rauschen die Saaten der Auferstehung; Iberien, das stolze Waffenschild gegen die Alles erobernden Schwärme von Afrika, erklingt von wunderbaren Memnonstönen, – und können wir es uns versagen, hier diese Laterna magica zu betrachten, welche uns flüchtig die einzelnen, buntschimmernden Felder dieses Schildes präsentiren wird? – Hier, gleich am Fuße der Pyrenäen, beginnen die 3 baskischen Provinzen: Biscaya, Guipuscoa und Alava (140 Quadrat M. mit 380,000 Ew.). Die armen Berge von Biscaya mit der naiven Harmonie ihrer Glocken und Cascaden, bald kahler, bald grüner. Hier ein finsterer Engpaß, den die Phantasie sich als einen romantischen Aufenthalt für Räuber ausmalt. Dort eine lichte Stelle in der Wildniß wie ein Ballsal für Hexen und Zigeuner. Das flache Land, prangend mit einer kräftigen und reichen Vegetation. Die reißenden Sturzbäche, die bewaldeten Klüfte beleben die gelenken und behenden Leute mit sicherem Rohre und ausdauernder Kraft, die hartnäckigen Vertheidiger ihrer Privilegien, das männliche Volk der Basken (s. d.) mit eigener Sprache und fast barocker Nationalität, mit festem Blicke und geradem Nacken, der das tiefe Gefühl verräth, welches sie noch immer von ihren alten Herrlichkeiten hegen. Ihr gesellschaftlicher Zustand ist noch patriarchalisch und ursprünglich und älter als der Feudalismus. Große Familien sind selten; ein alter Adel ist die höchste Würde, die man auf dem Lande kennt. Niemand erblickt ohne Zeichen inniger Verehrung den Ururenkel eines Gothen, den fast immer armen Besitzer einer casa sola, wie man die isolirten Festen nennt, die gleich Adlernestern an den Felsen hängen. Um diese geheiligten Ruinen bewegt sich ein derbes Landvolk mit rühriger Kraft. Eine blaue Mantera (hohe spitzige Tuchmütze) ziert den Kopf des Basken, eine kurze Scharlachweste bedeckt den Leib, schwarze Sammetbeinkleider die Lenden.... Dort auf der Spitze des Felsens der stattliche Jäger, den Stutzen unter dem Arme, – das ist der Contrabandistas, welcher die Mozos der Douane wittert. Doch bald wird er der Gefahr vergessen: eben kommt seine Geliebte, die junge Biscayerin in ihren langen Haarflechten, mit nackten Füßen und kurzem Röckchen, von blauer Leinwand oder schwarzer Wolle, dem galanten Schmuggler entgegengelaufen. Und dort ganz unten im Hintergrund sehen wir Arriero's, brave Maulthiertreiber, deren malerische Karawanen auf S's Landstraßen unsere schwerfälligen Frachtfuhrwerke ersetzen.... Lange Reihen schwerbeladener Thiere mit rothem Schmuck und mit gelben, grünen oder himmelblauen Federn ohne Zaum und Zügel, blos der Stimme ihrer Führer und den Schellen des vordersten Maulthieres gehorchend..... Nordwestlicher zeigt sich uns die meist rauhe, bergige, in der Mitte unfruchtbare Provinz Galicien (s. d.) mit ihren Häfen Corunna und Ferrol, der berühmten Hauptstadt und Wallfahrtsort San Jago di Compostella und ihren thätigen Einwohnern, den Gascognern S's. Daneben die Bergprovinz, das Fürstenthum Asturien, die niemals von den Mauren erobert wurde. Schöne Weiden und gute Viehzucht; – jeder Asturier in seinem Stolze ist ein freigeborener Hidalgo! Doch dienen sie des lieben Brotes wegen oft den in ihren Augen weniger edlen Spaniern als Kutscher und Bediente. – Ein anderes Bild! Einförmige Flächen mit entlegenen Ortschaften, magere Felder, hier und da mit Weinranken und überall mit Steinen bedeckt; eine Menge Schafheerden, aber wenig Rinder; keine Wiesen, keine Waldungen; eine todte, öde Gegend. Dieß ist (Neu-) Castilien. Hier, auf einem unebenen, mit Hügeln umgebenen Boden am Manzanares, liegt S's Hauptstadt, Madrid; hier die Villa Aranjuez mit ihren Prachtgärten; hier nur 6 Meilen von Madrid das prachtvolle Escurial. An diese castilischen Hochebenen schließt sich das ebenfalls nur mäßig fruchtbare Königreich Leon (940 Quadrat M., 1,200,000 Ew.), mit der Hauptstadt gl. N., deren gigantischer Dom die Gräber von 37 Königen enthält, mit dem uralten Valladolid und dem weitberühmten Salamanca. Die grünen Wiesenhügel hier mit Gruppen alter Stacheleichen und Korkulmen, mit klaren Teichen und Waldströmen: – hie und da seltsam zusammengewürfelte Felstrümmer, ein langes, dünnbewaldetes Hügelland, oft mit nur einzelnen Kohlenweilern oder den von ungeheueren Hunden bewachten Hütten der Hirten, ganz unerwartet wiederum große Merinosheerden, die, in endlosen Scharen durch die schattigen Weidegründe dahinziehend, im Frühjahr nach den Gebirgen von Castilien und im Herbst wieder nach dem Süden zurückwandern, – dieß ist das Gemälde der Provinz Estremadura, deren außerordentlich schöne Bewohner, – die Estremanos – mit dem seltsamen Ausdruck von Melancholie und den sonderbar verschleierten, träumerischen Augen, die Rolle der Abenteurer in S. spielen. Sehnsüchtig zogen sie vor allen in die neue Welt, und die größten Eroberer, wie Cortez, Pizarro etc., gingen aus dieser Landschaft hervor..... Doch sei mir gegrüßt, du herrliches Andalusien, Zaubergarten des Mittelmeers, mit deinen vier schwesterlichen Feen Sevilla, Cordova, Jaen und Granada! Hier blühen die Blumen der Romantik; hier lagern wir uns in dem duftenden Rasen am Xenilflusse und schauen selig in die Tiefe des Himmels, selig in die Sonnen der Landschaft. Die sibirische Birke, die gallische Eiche, die italische Pappel neben der Platane, dem orientalischen Maulbeerbaume und dem Sumach. Die pyramidalische Cypresse dort bezeichnet das Grab eines Abencerragen. Die schlanke Palme erhebt ihr Haupt über Gruppen von Lorbeerbüschen, Jasmin, Granaten und Myrthen. Aber sonderbar, – kein Singvogel läßt sich hören. Nur die Turteltaube, der gewöhnliche Wächter muselmännischer Begräbnißplätze, unterbricht durch ihr Girren die Stille dieser schönen Einsamkeit. Dafür ertönen aber die Lieder des Trovador; lauschend stehen die Andalusierinnen hinter den Fenstern und horchen den nächtlichen Serenaden; sie träumen von Liebe hinter den Gittern ihres Balkons; die Mandoline ruht in ihren Armen. Es rauscht der Fandango, der Manchegas, der Seguidillas. Gleich einer elektrischen Kette umschließt ja der Tanz ganz Andalusien: der weiche, gemessenere, träumerische, keusche Tanz in den Cirkeln der Privaten, der lebhafte, kühne, in öffentlichen Reigen, der Jota, der Zorongo, das lieblichste Kind der Thorheit; – es lockt mit den Tönen lieblicher Raserei den bacchantischen Bolero. Schöner, spanischer Lenz, die Lüfte zweier Meere strömen dir zu! und doch, mich dünkt, – ein trüber Schleier umwölkt die königliche Landschaft Sevilla, – es erfrischte einst seine Krone von Jasmin in den Wogen des Guadalquivir, und lachte mit so heiterer Luft, als kämen die Galionen von Lima an. Es spielte, sang, liebte, – und jetzt, jetzt sieht es so ernst und feierlich gleich der Nonne, welche in's Kloster geht. Granada, – bist du nicht dieselbe mehr mit den herrlichen Bäumen, denen du den Namen gabst, mit den goldenen Aepfeln, welche sich spalten wie Lippen von Korallen? Die lauen Winde, welche die schöne Fülle deines Stromes hauchen, erschließen tausend Rosen an den gothischen Spalieren des anmuthreichen Generalife. Ach, du aber bist jetzt traurig, wie dein Löwenhof; du denkst der Abencerragen und ihrer großen Thaten und der kleinen Gegenwart; deine Denkmale sind Schutt und Trümmer; du verlorst den Alhambra!..... Doch freundlicher lächelt dort auf der Erdzunge der Insel Leon das reiche Cadiz, die Krone der spanischen Handelsstädte. Liegt es nicht wie ein schönes Schiff an dem Ocean, geankert an üppige Wiesen, sicher vor den Stürmen, die von den Pyrenäen bis zu den Herkulessäulen wehen? Erheben sich seine blühenden Terrassen nicht wie eine ungeheuere Krone über die Zinnen seiner stolzen Paläste? Und wie schön geleiten uns die hohen Orangenbäume mit ihren goldgelben Früchten durch die fruchtbare, vom Guadalquivir durchströmte Ebene, welche die fernen Scheitel der Sierra Morena bekränzen, bis an den Pomeranzenhain bei der uralten herrlichen Cathedralkirche von Cordova! Wie stolz ruht Saragossa, die »berühmte und heroische« Stadt, in der fruchtreichen, aragonischen Ebene am rechten Ufer des Ebro! Von ihr in östlicher Richtung erblicken wir das schöne gewerbfleißige Fürstenthum Catalonien, mit seinen Minen und schattigen Wäldern, dem großartigen Barcellona, und seinen mannhaften Bewohnern von schweizerischer Gradheit. Hier erbt noch immer der kühne, edle Geist der Vorfahren mit den Waffen zugleich von Vater auf Sohn: Catalonien, sagt das Lied, ist die Wiege des spanischen Edelmuthes. Aber das süßeste, das reizendste Bild beschließe diese spanische Bilderreihe: schon sehen wir ihn vor uns, den »himmlischen Garten von Valencia,« mit dem ewig heitern Himmel, den kühlenden Seewinden, seinen Weinen, Oliven, Südfrüchten, Kermes, Bienen und Seidengespinnsten, – und den abenteuerlichen Gestalten seiner Landbewohner, – breite, schwarzbraune Gestalten mit weißen Zähnen und salben Augen, langen, bis auf die Schultern hängenden Haaren nach Art der altfränkischen Krieger, nackten, von der Sonne verbrannten Beinen; – ein niederer Hut mit breiter Krempe, ein leinener Brustkittel, ein blauer Gürtel und ein Hemd, – die ganze Kleidung dieser Wildesten der Spanier! Und doch hier unter diesem lieblichsten Himmel, hier eben entfalten die lieblichsten Blüthen der Empfindung sich zur schönsten vollendetsten Blume! Wer die Liebe, dieses süße Lenzkind des Lebens, in ihrer ganzen Süßigkeit kennen lernen will, der eile in ihre Heimath, in's herrliche Valencia, wo sie mit allem Zauber der Schwärmerei und romantischen Begeisterung, mit aller Regsamkeit südlicher Phantasie Himmel und Erde beherrscht, wo Madonna und der Himmel, Kuß und Umarmung, Gebet und der Geliebte in eine einzige Zähre seliger Liebe verschwimmen!..... Schöner spanischer Lenz, die Lüfte zweier Meere strömen dir zu, – wann wird dir der Sommer folgen mit seinen heißen, aber ruhigen Nächten, wann der segnende Herbst, welcher aus den Saaten des Blutes und der Thräne die goldenen Früchte der Freiheit zeitigt?... Vergl. die einzelnen Provinzen, Städte, und namentlich Madrid als den Prototyp der gesammten spanischen Geselligkeit der höheren Kreise. – S's Kolonien sind seit dem verhängnißvollen Jahre 1810, wo es noch den größten Theil von Südamerika und Mexico besaß, sehr unbedeutend geworden. In Amerika besitzen die Spanier jetzt nur noch die Insel Cuba (s. d.), die Jungferninseln und die Insel Portorico,- 2500 Quadrat M. mit 950,000 Ew.; in Asien: die Philippinen (s. d.); in Afrika: einige Städte an der nordwestlichen Spitze (12,000 Ew.) und die Kanarischen Inseln (s. d.); in Australien: Niederlassungen auf den Ladronen (s. d.) und Karolinen. Die Summe aller Kolonialeinwohner beträgt jetzt kaum 3 Mill., während sie sich 1809 noch auf 15 Mill. belief.

B...i.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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