Sargans, Adelheid von

Sargans, Adelheid von

Sargans, Adelheid von, Freifrau von Wart, aus dem mächtigen Geschlechte der Grafen von Watz und Sargans in den rhätischen Alpen, nach den einstimmigen Berichten aller gleichzeitigen Geschichtschreiber »schön wie ein Engel und mit einem himmlischen Antlitze voll Güte,« vermählte sich um das Jahr 1300 mit dem edlen Ritter Rudolph von Wart, und lebte mehrere Jahre mit demselben auf seinen Stammgütern an den reizenden Ufern der Brenta »in der seligsten Eintracht.« Doch als seine wahre Freundin ängstlich für den Ruhm und das wahre Wohl ihres Gemahls besorgt und von dem Wunsche beseelt, ihn in einen Wirkungskreis zu versetzen, der seine rege Thatkraft auf eine würdige Weise in Anspruch nähme, schlug sie ihm vor, an Kaiser Albrecht's Hofe Dienste zu nehmen. Rudolph erblaßte bei diesen Worten, und erklärte, wie er dieß nimmer thun möchte, da er in die Hände seines sterbenden Vaters gelobt, Adolph von Nassau, den von Albrecht's eigener Hand gemordeten Kaiser, an seinem Mörder zu rächen. Adelheid war alsbald besorgt, nach besten Kräften den Samen des Unkrauts sogleich im Keime zu ersticken, und es gelang ihrem sanften und klugen Zureden, seine Abneigung gegen ihren Vorschlag zu besiegen. Aber die Blutsaat keimte in jener bangen, unheilvollen Zeit selbst in den Gemüthern der Edelsten verderbenbrütend hervor, und bald nach ihrer Ankunft am kaiserl. Hofe sollten auf dem Blumenpfade ihrer bisher so glücklichen Verbindung nur noch weiße Rosen blühen! Der Anblick des verhaßten Albrecht erfüllte Rudolph's Seele mit neuem Groll, und als er noch überdieß durch eine unglückliche Verkettung der Dinge zu dem schönen, tapfern und liebenswürdigen Neffen des Kaisers, Johann von Schwaben, welchem dieser widerrechtlicher Weise noch immer die Besitznahme seiner Erbstaaten vorenthielt, in die engsten Freundschaftsverhältnisse getreten war: da vermochte Adelheid mit all' ihren liebevollen Worten, selbst nicht mit der um Schonung flehenden Eröffnung, daß sie sich zum ersten Male Mutter fühle, länger den Dämon der Rache zu beschwichtigen. Plötzlich ward ihr von Rudolph der Befehl, sich in das einsame Thal Frontigue in den Alpen zurückzuziehen; sie gehorchte mit blutendem Herzen, und bald darauf (am 1. Mai 1308) fiel auch Kaiser Albrecht bei Bruck im Aargau unter den mörderischen Streichen Johann's von Schwaben, Walter Eschenbach's, Rudolph's von Palm, und – ihres Gemahls! Von nun an bereitete der unschuldigen Gattin des Königsmörders, den man in Ketten nach Basel schleifte, jede Stunde ihres Lebens nur neue, immer empfindlichere Qualen. Die Königin Agnes von Ungarn, des Ermordeten grausame Tochter, durchzog das Gebirge in seinen verstecktesten Schluchten wie ein dräuender Racheengel, ließ endlich auch Adelheid's einsamen Sitz umringen und drang über die Leichen ihrer treuen Diener in die Burg ein. Die unglückliche Adelheid wurde in einen feuchten Kerker geworfen; ihr Kind stirbt; sinnlos entreißt sie sich am dritten Tage ihren Fesseln und eilt in der Fieberhitze halben Wahnsinns mitten in der Nacht immer gen Norden nach Basel zu, wo ihr noch immer heiß geliebter, zum gräßlichsten Tode verurtheilter Rudolph gefangen saß. Ihre reichgestickte Fußbekleidung zerreißt, die Füße bluten. Gegen das Ende der Nacht begegneten ihr mehrere Landleute, die wie vom heiligen Schauer getroffen wurden, als sie das schöngestaltete, jugendliche Weib mit zerstreutem Haar und goldgestickten fliegenden Gewändern, in der Morgensonne glänzend, gleich einem Sonnenstrahle vorbeieilen sahen. Endlich erreicht sie Basel; sie stürzt durch die Gassen, fragt alle, die ihr begegnen, nach ihrem Rudolph, irrt durch die der Frühe der Tageszeit wegen noch menschenleeren Straßen auf und nieder, als sie auf einmal in der Mitte eines freien Platzes ein Gerüst erblickt, um welches tiefe Stille herrscht. Sie vernimmt Klagelaute, Todesseufzer; die Stimme ist ihr bekannt; sie stürzt hinzu, stößt Alles zurück und fällt auf die Knie vor – dem verstümmelten Körper ihres Gatten, der seit dem vorigen Tage auf's Rad geflochten noch immer lebte und die Erde mit seinem Blute tränkte. Aber Adelheid weinte nicht. Neben dem blutigen Gerüste verharrte sie kniend den ganzen, langen Tag, während dessen Rudolph den Todeskampf kämpfte, sprach zu ihm von der Gnade Gottes, von seiner Versöhnung, und benetzte den heißen Mund des Gatten mit frischem, kühlendem Wasser. Ihr Auge, todt für jede Umgebung, weilte nur auf dem Auge Rudolph's, der, wenn er auch zu lauten Klagen nicht mehr die Kraft besaß, doch ihren Blick mit dem seinen vergalt. Endlich nahmen seine Qualen ein Ende, und als Adelheid sah, wie der letzte Seufzer seiner zerrissenen Brust entfloh, neigte sie sich über seinen Mund, küßte ihn, als wollte sie den Rest des Lebens noch hervorrufen, und schwankte dann leichenbleich bis an das Hauptthor des Klosters St. Plectrude, auf dessen Schwelle sie verschied, – jung an Jahren, alt an Schmerzen, unsterblich in den Annalen der leidenden, liebenden Menschheit!

S....r.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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