Saison in Paris und London

Saison in Paris und London

Saison in Paris und London. Die Zeit der Vergnügungen für die fashionable Welt, die Zeit der großen Bälle, routs, Concerte, die Glanzepoche der Oper, die Erntezeit der Modistinnen und Spieler, der Opferungstermin der Ehemänner, der point de mire aller gefall- und genußsüchtigen Schönen, die während der Sommermonate in Bädern und Landhäusern sich par force rothe Wangen und frische Kräfte zu verschaffen suchten. – Mit dem April hat die Mode geboten die Hauptstadt Frankreichs zu verlassen. Wer auf guten Ton Anspruch macht und durch kein Amt gefesselt ist, muß fort auf die Güter, wenn er welche besitzt, oder in's Ausland, nach der See, oder Italien. Die vornehme Dame, die Monate lang vergessen, daß im dritten Stock ihres Hotels Wesen wohnten, die ihre Kinder sind, erinnert sich jetzt ihrer. Man packt die Kleinen nebst Bonne und précepteur in den Reisewagen, die Saison ist zu Ende, Madame darf wieder Mutter sein. Außerhalb Paris dürfen die Kinder sogar im Salon erscheinen, auf dem Lande nimmt man das nicht so genau. Die Hausfreunde, die Besuche, die Bäder und Promenaden lassen noch Zeit genug übrig, sich mit ihnen etwas zu beschäftigen. Indessen üben die erwachsenen Töchter fleißig jene mannichfaltigen Talente, welche die nächste Saison Bewunderung erregen sollen, und die Papas sparen, um den künftigen Anforderungen genügen zu können. Gegen den Herbst nimmt die Regsamkeit zu. Madame sieht ihre Reize erfrischt und beginnt über Anzüge, die Aufsehen machen dürften, nachzudenken. Die Hausfreunde erscheinen seltener; denn es gibt Jagden und allmäliges Rückkehren zur Hauptstadt. Sie müssen finanzielle und Angelegenheiten des Luxus in Ordnung bringen. Mit dem Verblühen der Astern und Georginen wird die Langeweile im ganzen Schlosse von der Gebieterin bis zum Hofe herab ansteckend, nur der Kutscher und sein Gespann sieht mit Schwermuth der Zeit entgegen, wo er wieder Stunden lang bei Sturm und Eis die Herrschaft auf der Straße wird erwarten müssen. Endlich kommt der November, das wahre Leben der Großen und Reichen beginnt, die Saison ist da. Sie umschließt in ihrem Zauberkreise jeden Wunsch der Kokette, des Avantüriers, des Fremden – selbst des Dichters und Musikers. Sie sind da, die tonangebenden Männer und Frauen, vor denen das neue Drama gelesen, die neue Composition ausgeführt werden soll. Sie sind da, die vielbesprochenen, gepriesenen und bekrittelten Berühmtheiten, von denen der Fremde in sein Tagebuch zu schreiben hat. Sie sind da, die Schönen, die erobert sein wollen, die reichen Gimpel, die man rupfen muß. Bald flammen die Kerzen, deren Strahlen den Juwelen der Damen und dem Golde der Spieltische den rechten Lüstre geben, sie tönen die Orchester, nach denen es sich ganz anders tanzt, als zum piano à la campagne. Der Saison sieht Jedermann hoffend entgegen; sie verhilft zu Ehren und Würden, weil sie beim Concentriren der Notabilitäten auch einen großen Kreis Bekanntschaften veranlaßt, die nützlich werden können; sie bahnt den Weg zu Liebesintriguen und Heirathen, denn man sieht und wird gesehen. In die Saison fällt endlich der Carneval mit seinen Phantasieroben und Quadrillen, und ihr letzter Triumph ist die Luftfahrt am Charfreitage nach Longchamp. Von da an derselbe Kreislauf, der sogar den Kindern wieder während der nächsten Saison ihr Paradies, den jour de l'eau, mit seinen Puppen und bonbons, verspricht. In London ist es mit einigen Modificationen dasselbe, nur macht die Oper, welche gerade zur Sommerszeit oft ausgezeichnete fremde Talente engagirt, eine Ausnahme davon. Die vorzüglichsten italienischen Gesangskünstler aus Paris richten sich daher stets gern so ein, daß sie an der Themse, wo die Saison etwas länger währt, noch zeitig genug eintreffen, um die Lordschaften bezaubern zu können, was alljährlich, kraft der englischen Guineen geschieht. In der schönen Jahreszeit kömmt nur der niedere Adel, welcher von der hohen Aristokratie während der Saison gänzlich eclipsirt zu werden fürchtete, auf Monate nach London, um die Genüsse der Hauptstadt zu kosten. Die prächtigen Paläste im Westende stehen dann so verödet, wie die Hotels der chaussée d'Antin und des faubourg St. Germain. Ihre fürstlich-reichen Bewohner halten entweder auf ihren Grafschaften Hof, oder reisen auf dem Continente, bis die nächste Saison sie den Festen der Heimath ruft.

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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