Pesth und Ofen

Pesth und Ofen

Pesth und Ofen. Zwei Riesenwächtern gleich liegen diese ungarischen Städte an den beiden Ufern der Donau, die zwischen Weinhügeln und grünen Ebenen hinabströmt in das gesegnete Land: rechts Ofen, altergrau, mit ernstgefalteter Stirne herabblickend in die rauschende Flut, die vieler Jahrhunderte Glanz und Weh gesehen; links Pesth, lebensfrisch, mit jugendlichen Gliedern und lachenden Augen. – O. (Buda) erhebt sich fast amphitheatralisch auf und zwischen Rebenhügeln vom Ufer; hoch auf dem Felsenkamme, die Festung, das ehrwürdige Schloß der alten Könige, ihr gegenüber auf fast gleicher Höhe, dem Blocks oder Gerhardsberg, die Sternwarte, unten die Wasserstadt, das Neustift, die Raizenstadt und die überaus reizend gelegene Christinenstadt. 45,000 Einw. unterhalten durch die Schiffbrücke mit den Bewohnern Pesth's den lebhaftesten Verkehr. Die Mannichfaltigkeit der Trachten, das Hin- und Wiederwogen der Menge überrascht das Auge: rings die Gegend ein Paradies, unten der gewaltige Strom, mit Dampfboten, Frachtschiffen, Kähnen, Barken etc.: Alles dieß gewährt ein Bild voll der anziehendsten Lebendigkeit. – Die merkwürdigsten Gebäude sind das k. Schloß (an welches ein geschmackvoller Park grenzt), der Primatialpalast, das Land-, Zeug- und Rathhaus und das gräfl. Sander'sche Palais etc. – Die prachtvollen und berühmten Bäder sind zum Theil ein Werk der Türken und rühren aus dem 16. Jahrhunderte, wo der Halbmond über Ofen's Zinnen und dem größten Theile von Ungarn glänzte, her. An wissenschaftl. und Kunstanstalten rechnet man: eine Gemäldesammlung, ein Gymnasium, eine Hauptschule, mehrere Bibliotheken. Ofen ist die Krönungsstadt der Könige, der Sitz des Palatinus, der Hofkammer und anderer h. Behörden. In dem hier seit längerer Zeit bestehenden Theater werden Stücke in ungarischer Sprache aufgeführt. Oeffentliche Vergnügungsorte sind: der Horvàthgarten, der Auwinkel, der Schwabenberg etc. In der Nähe liegt Altofen, das »Abdera« in Ungarn. – Pesth darf sich wohl gleichen Alters rühmen, wie Ofen, und seine Erinnerungen sind gleich ehrwürdig und großartig; doch ist nur der innere Theil der Häuser eng und alterthümlich gebaut, die Vorstädte sind neu, glänzend, prächtig. Noch immer erhebt sich Palast an Palast. Das Territorium ist eben; weit am flachen Ufer entlang, durch einen mächtigen Damm gegen die Ueberschwemmungen der Donau geschützt, dehnt sich die Häusermasse aus; Nachts von zahlreichen Laternen erleuchtet, gewährt dieses Quai einen überraschenden Anblick: so wie auf der andern Seite wieder Ofen mit seinen erleuchteten Fenstern wie ein Feenschloß in den schwarzen Nachthimmel aufragt. – Die vorzüglichsten Gebäude Pesth's, das sich von Tag zu Tag möchte man sagen vergrößert, sind: die pomphafte Artillerie-Kaserne, das Josephinische Gebäude, die Universität, das Invalidenhaus, das Theater, eins der schönsten und größten des Continents, das Museum, das Palais der Festetics, das Donaubad, die Börsenhalle. – An scientifischen Anstalten besitzt die Stadt: eine hohe Schule, Nationalmuseum, Seminar, Gymnasium, botan. Garten etc. Die Zahl der Krankenhäuser und anderer wohlthätiger Institute ist bedeutend. – Der ehemal. Orczy'sche Garten ist auf Kosten des Landes angekauft worden, und in seinen Räumen wird sich bald ein ungeheueres Gebäude, das »Ludovicäum,« eine Bildungsanstalt für junge Adlige, erheben..– Oeffentl. Vergnügungsorte sind: das Stadtwäldchen, das Eisenbad, die Promenaden auf der Margarethen- oder Palatinsinsel. – Die Einwohnerzahl, fortwährend im Steigen, schwebt zwischen 75,000 bis 80,000; rechnet man noch jene von Ofen dazu, so kann man sich leicht ein Bild des lebendigen Verkehrs, der Menschenströmung, welche durch die majestätische Schiffbrücke unterhalten wird, vergegenwärtigen. Dieser Verkehr wird dessenungeachtet bei Wasserfluthen, beim Eisgange, wo die Brücke abgetragen werden muß, auf Tage, ja auf Wochen, unterbrochen. Deßhalb haben die Magnaten auf dem letzten Landtage den Bau einer massiven, steinernen Brücke beschlossen. Auch wurde die Errichtung eines zweiten, ungarischen Nationaltheaters genehmigt..– P. hat 4 große Jahrmärkte. Die Sprache der Bewohner ist deutsch, ungarisch und slovakisch; die Meisten sind aller drei mächtig. – Von Pesth's und Ofen's Frauen gilt dasselbe, wie von denen Ungarn's im Allgemeinen. Nur daß sich, wie überall in Hauptstädten, die Nationalität mehr verwischt und zu einem allgemeinern Typus abrundet. Dasselbe gilt hier auch von der physischen Eigenthümlichkeit, wo sich drei Stamme: der deutsche, magyarische und slavische, vermischen. – Vorzugsweise sind die hiesigen Frauen schön, lebhaft, feurig, leicht erregbar. Es hält nicht schwer an den üppigen Formen, dem dunkleren Teint, den schwarzen, blitzenden Augen, dem reichen Haar die Nationalungarin von der Deutschen zu unterscheiden. In den höhern Cirkeln lebt viel reger Sinn und Eifer Musik, Kunst und Literatur. Ueberaus kleidsam und reizend ist die Nationaltracht vornehmer Damen, die jedoch nur bei besondern Veranlassungen, Hofpräsentationen etc. angelegt wird. Im Uebrigen wandern die franz. und wiener Moden regelmäßig auch hier ein und werden rasch eingebürgert. Fremde können die Zuvorkommenheit, Lieblichkeit, die Reize und geselligen Talente des weibl. Geschlechtes auch in den Mittelklassen von Pesth und Ofen nicht genug rühmen.

–n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Ofen (die Stadt) — (die Stadt), siehe Pesth und Ofen …   Damen Conversations Lexikon

  • Pesth — Pesth, die größte und schönste Stadt Ungarns, nach Wien unter den Donaustädten in jeder Beziehung die erste, Hauptort des P. piliser Comitats, am linken Donauufer, Ofen gegenüber, mit demselben durch eine der großartigsten Kettenbrücken verbunden …   Herders Conversations-Lexikon

  • Ofen [1] — Ofen, ungar. Buda, königl. Freistadt, Hauptstadt des Königreichs Ungarn an der Donau, Pesth gegenüber. mit dem es durch eine großartige Kettenbrücke verbunden ist, besteht aus der Festung und oberen Stadt, der unteren oder Wasserstadt, der… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Ungarn [2] — Ungarn (Gesch.). Daß jetzige U. wurde zur Römerzeit von den Pannoniern u. Daciern bewohnt, von denen jene in Nieder , diese in Ober U. saßen, zwischen ihnen die Jazygen. Beide Länder wurden seit der Zeit der ersten Kaiser von den Römern… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Türkisches Reich [2] — Türkisches Reich (Gesch.). Das jetzt schlechtweg Türken, eigentlich Osmanen genannte Volk ist blos ein Zweig des großen Volksstammes der Türken (s.d.). Diese kommen bereits bei Plinius u. Mela als Turcä vor u. wohnten damals in Sarmatien in den… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Österreich [3] — Österreich (Gesch.). Das heutige Erzherzogthum Ö. wurde zur Zeit der Römer auf dem linken Donauufer von Germanen, namentlich Markomannen, Quaden, Juthungen, auf dem rechten von Celten, namentlich Tauriskern u. Pannoniern, bewohnt. Das Land auf… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Ungarn — (Magyar Orszag, lat. Hungaria), Königreich, Kronland der österr. Monarchie, zwischen Niederösterreich, Mähren, Galizien, Siebenbürgen, der Wojewodina, Slavonien, Dalmatien, Kroatien u. Steyermark, umfaßt 3265 QM., ist im Norden von den Karpathen… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Donau — Donau, 1) (a. Geogr.), dieser Strom Deutschlands kommt im Alterthum unter den zwei Namen Danubius (gr. Danubis) u. Ister (Istros) vor; Einige nennen ihn auch Matoas. Der Name Danubius soll nach Einigen unter den Alten thracisch od. nach Andern… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Zeitungen u. Zeitschriften — Zeitungen u. Zeitschriften, literarische Erzeugnisse, welche an bestimmten Orten u. zu bestimmten Zeiten erscheinend, Nachrichten über Gegenstände bringen od. Fragen erörtern, welche gerade nur für die Zeit Interesse haben. Während das Wort… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Ignaz Philipp Semmelweis —     Ignaz Philipp Semmelweis     † Catholic Encyclopedia ► Ignaz Philipp Semmelweis     Physician and discoverer of the cause of puerperal fever, b. Ofen (Buda), 1 July, 1818; d. at Vienna, 13 August, 1865. The son of a German merchant, he became …   Catholic encyclopedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”