Mantel

Mantel

Mantel, dieses Kleidungsstück ward im Alterthume meist nur von Männern getragen; die Frauen bedienten sich statt seiner der Schleier und ähnlicher Hüllen. Er galt bei ihnen nur als Hoheitszeichen oder königliches Emblem, und reichte dann bis an den Saum des Untergewandes und darüber herab. Was die Gelehrten bei den ägyptischen Frauen einen Mantel nennen, deckte nur den Rücken und die Schultern, und der mantelartige Ueberwurf, den die Hebräerinnen beim Ausgehen oder auf Reisen umnahmen, glich ganz dem schleiergleichen peplum der Griechinnen. Ohne Aehnlichkeit mit unsern heutigen Mänteln bestanden überhaupt die der Griechen und Römer nur aus einem viereckigen Stücke weißen Wollenzeugs. In der Folge gab es seidene, und zur Trauer trug man dunkelbraune und schwarze. Die Mäntel der Sophisten waren purpurn und nur Neuvermählte durften bunte anlegen. Die Römer, obschon Schüler der Griechen, hegten anfänglich doch einen Widerwillen gegen ihre Kleidung und daher auch gegen den bei ihnen gebräuchlichen Mantel. Erst zur Zeit der Antonine kam er zu Rom in die Mode, daß. B. Augustus, dem es mißfiel, daß einige gewagt hatten, im Mantel vor ihm zu erscheinen, einen ausdrücklichen Befehl dagegen gab. Das Pallium der römischen Damen würden wir jetzt allerdings einen Mantel nennen, so wie das Epitogium, womit Pompejus und Cäsar sich das Gesicht verhüllten, um die Dolche ihrer Mörder nicht zu sehen, in jeder Weltgeschichte ein Mantel heißt, obgleich beide kragenlos waren. Von den Mänteln der Juden sagt das 4. Buch Moses, daß sie ebenfalls viereckig waren. Der Saum mußte vorschriftmäßig mit farbigen Franzen besetzt sein und an den Ecken befanden sich Schnuren, um himmelblaue Quasten daran zu binden. Berühmt unter diesem Volke wurde bekanntlich der Mantel des Elias und Joseph, und die heilige Legende erzählt vom Mantel der heiligen Ursula, der im Nothfalle den eilftausend Jungfrauen des Evangeliums zum Zelte dienen konnte, was kaum wunderbarer erscheint, als daß einst der heilige Florenz seinen Mantel im Vorzimmer des Königs Dagobert, weil er keinen Nagel fand, an einem Sonnenstrahle aufhing. Der Mantel des heiligen Franz gab zu einem Schisma unter seinen Nacheiferern Anlaß. Einige davon behaupteten, er müsse bis über das Knie gehen, Andere beschnitten ihn so sehr, daß er kaum die Hintertheile des Körpers bedeckte. Das Mantel-Aergerniß würde noch größer geworden sein, wenn der Papst nicht bei Zeiten Stillschweigen geboten hätte. Außer denen der Mönchsorden spielten überhaupt im Mittelalter die Mäntel eine bedeutende Rolle, und noch immer finden wir den kurzen, spanischen Mantel, den die Ritter und Herren damals zum Staate trugen, höchst zierlich und malerisch. Zu Karl's des Großen Zeiten waren die mit Pelz gefütterten Mäntel beiden Geschlechtern gemein; welch ungeheuerer Abstand aber im Preise dieser Dinge gegen den unserer Tage damals Statt fand, beweist die alte Berechnung Eginhard's, der erzählt, daß der beste, folglich mit Zobel, Hermelin oder Marder gefütterte Mantel des mächtigen Herrschers nur 20 Sols kostete, ein geringerer mit Katzenfellen doublirter 10 Sols. Diese Pelzmäntel dienten auch als Bettdecken, und nur erst spät verwendeten sehr reiche Leute Sammt zum Ersatz des Pelzfutters. Im 15., 16. und 17. Jahrhundert trug jeder ehrenfeste Bürgersmann einen Mantel von Tuch oder Brüsseler Kamelott ja selbst die Frauen nahmen nach und nach diese Mode an, und wir sehen sie häufig auf alten Gemälden. Bei Fürstinnen und andern hohen Damen endigten sie meist in eine lange Schleppe, wie noch jetzt die zur Gala gebräuchlichen, an der Taille festgemachten Hofmäntel, welche den Oberkörper unbedeckt lassen. Die Form des eigentlichen Damenmantels hat sich, wie wir Alle wissen, jedes Jahr verändert, und selbst die uns umgebende Männerwelt ist von solchem Wankelmuthe hinsichtlich dieses nothwendigen Kleidungstückes nicht frei zu sprechen. Nur in Schweden, wo er zur Nationaltracht gehört, in Spanien und Italien hat der Mantel seine ehemalige Würde und Gestalt nie verloren, und wenn gleich der vornehme Spanier auch längst den englischen Frack angenommen hat, zu dem das kurze, gestickte Mäntelchen der alten Granden possierlich genug stehen müßte, so hüllt er sich doch noch immer gern in die Capa oder den manteo, den der gemeine Mann nie aufgab. Ein Gleiches gilt von dem Mantel zu Venedig, wo er zur Staatstracht gehört. Er ist daselbst im Winter von Scharlach oder anderm gefärbten Tuche, im Sommer von weißseidenem Zeuge, bei den niedern Ständen von Kamelott. Den Venetianer verläßt sein Mantel selbst in der größten Hitze nicht, und erscheint er ohne Mantel Abends bei guten Bekannten, so hat er ihn wenigstens zusammengeschlagen unter dem Arme und entschuldigt sich, daß er in abito di confidenza (vertraulicher Kleidung) zu kommen wage. Zum Eintritt in gute Häuser, in den Kirchen und vor Gericht ist der tabarro (Mantel) unumgänglich nöthig, und ersetzt jeden andern Putz. Die venetianische Schöne dagegen bedeckt sich auf der Straße mit einer mantelartigen Hülle von schwarzer Seide, und kokettirt darunter so vortrefflich, wie die Spanierin unter der zarten Blonden- oder Spitzen-Mantilla (s. d.) und die flamändische Beguine unter ihrem steifen Manteltuche. Die braunen und rothen Mantel der niedern Stande Italiens, bis zu denen der gefürchteten Banditen, sind allbekannt, und wäre es auch nur durch die zahlreichen im Süden spielenden Novellen, wo sie stets Dolch und Pistolen obligat accompagniren. Auch in Frankreich und Deutschland trug man ehedem Scharlachmäntel: nur die Gelehrten und Geistlichen hielten von jeher an der schwarzen Farbe derselben. Die grauen Mäntel hatten ihre Glanzperiode unter Ludwig XIV. In jener galanten Epoche bediente man sich ihrer vorzüglich zu heimlichen Abendpartien und zwar gab es dafür eine besondere Nuance die couleur de muraille, Mauerfarbe, hieß. Leute von Stande entsagten endlich unter mancherlei Vorwand den Mänteln ganz und wandten sich dafür der englischen Sitte der redingotes und roquelaures zu. Der Herzog von Orleans (d'Egalité) führte mit den übrigen englischen Herrenmoden auch die Oberröcke zuerst in Frankreich ein. Auf Reisen und im Regenwetter wird ein Mantel stets das beste Schutzmittel bleiben, und möge es nur niemals geschehen, daß wir wieder Groß und Klein mit caricaturmäßig copirten Carbonarimänlein, die wenigstens Nordländer zu tragen wissen, einherschreiten sehen. Derselbe Wunsch läßt sich bei den modernen, dem orientalischen Kaftan, nachgebildeten Damenmänteln, voll Inbrunst aussprechen, und hoffentlich werden auch ihre Elephanten-Aermel als eine wahre Geschmacksverirrung bald verschwinden, da sie ungraziös sind, ohne reellen Nutzen zu gewähren. Der Mantel des Orients im Allgemeinen ist nur ein einfacher, kragenloser Ueberwurf, der bereits oft erwähnte Bernuß der Beduinen eine Filzdecke. Die reichen Moslemin lassen ihre Mäntel, saga genannt, vom feinsten, venetianischen Scharlachtuche machen und bisweilen auch einen Kapuchon, baschlik, daran fügen, der bei schlechtem Wetter im Winter das Haupt schützt. Geschichtlich berühmt und fast heilig geachtet ward im Morgenlande der Mantel des Propheten Muhamed, den man noch jetzt im Schatze des Sultans zu Constantinopel aufbewahrt. Er liegt in einer goldnen Kiste, die 100,000 Drachmen an Werth hat und die Sultan Murad-Kan eigens dazu anfertigen ließ. Zu Zeiten wird dieser Mantel in Wasser eingeweicht und solches Kranken zu trinken gegeben, weil man ihm übernatürliche Heilkräfte zuschreibt. Einen an diesen ehrwürdigen Mantel fehlenden Zipfel soll der Prophet einst abgeschnitten haben, um die Ruhe seiner Lieblingskatze, die darauf eingeschlafen war, nicht zu stören. Einen andern Mantel des Propheten, den er dem Dichter Caab zur Belohnung für schöne Verse in der Moschee zu Mekka öffentlich umhing, verkauften dessen Erben nach seinem Tode für 20,000 Drachmen an den Khalifen Moavis, der dem lebenden Besitzer 40,000 vergebens dafür geboten hatte. Dieser Mantel blieb hierauf im Besitz der Khalifen, denen er bei feierlichen Gelegenheiten zum Schmucke diente, bis er nach dem Sturze der Dynastie von den siegreichen Tataren nebst dem Stabe des Propheten verbrannt und die Asche in den Tigris geworfen ward. Endlich bestand vor Alters der sonderbare Gebrauch, unechte Kinder dadurch für legitim zu erklären, daß man bei einer spätern Copulation der Mutter ihr einen Mantel umhing, jene darunter stellte, und so mit einsegnen ließ. Solche Sprößlinge hießen dann Mantelkinder und hatten dieselben Rechte wie die vielleicht nachgebornen ehelichen Geschwister. Mantel-Rolle bezeichnete ehedem beim Theater gewisse Alter und Stände, denen dieses Kleidungsstück nach früherem Gebrauche zukam. Der Ausdruck wie die Sache sind in Vergessenheit gekommen.

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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  • Mantel — Man tel, n. [The same word as mantle a garment; cf. F. manteau de chemin[ e]e. See {Mantle}.] (Arch.) The finish around a fireplace, covering the chimney breast in front and sometimes on both sides; especially, a shelf above the fireplace, and… …   The Collaborative International Dictionary of English

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