Johanna, die Tolle, Königin von Castilien

Johanna, die Tolle, Königin von Castilien

Johanna, die Tolle, Königin von Castilien, Königin von Castilien, geb. 1482, war die Tochter Isabellens und Ferdinand's des Katholischen, vermählte sich den 28. October 1496 mit dem Erzherzoge Philipp von Oestreich, und folgte demselben nach Brüssel, wo sie Karl V. das Leben gab. Johanna hatte von der Natur weder ein angenehmes Aeußere, noch jene Liebenswürdigkeit des Geistes empfangen, mit der sie die Neigung ihres Gatten hätte dauernd fesseln können; allein Philipp war mehr als gleichgiltig gegen sie, und ihre übertriebene, wenn auch oft begründete Eifersucht, gab zu den heftigsten Auftritten Veranlassung, durch welche bald Johanna's ohnehin schwacher Geist zu leiden begann. Die Königin Mutter wünschte ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn die Thronfolge zu sichern, und rief deßhalb beide 1502 nach Spanien. Diese Absicht gelang, Johanna's und ihres Gemahles Erbrecht wurde von den aragonischen und castilischen Ständen anerkannt, allein Philipp, der den spanischen Zwang nicht länger ertragen mochte, kehrte bald in die Niederlande zurück, und ließ Johanna in Spanien. Diese fiel in der Abwesenheit ihres Gemahles in finstre, durch nichts zu zerstreuende Schwermuth. In solchem Gemüthszustande gebar sie einen zweiten Sohn, der den Namen Ferdinand erhielt. Gefühllos gegen Alles, was nicht den Gegenstand ihrer heißen Liebe betraf, beschäftigte sie einzig der Gedanke einer Wiedervereinigung mit Philipp, die im folgenden Jahre zu Brüssel erfolgte. Nach Isabellens Tode, durch den die Krone Castiliens auf Johanna, jedoch unter Ferdinand's Regentschaft überging, brachte es dieser Fürst durch Ränke so weit, daß Johanna seine Ansprüche, die er auf die Regierung des Königreichs zu haben vorgab, bestätigte, indem Johanna unfähig schien, den Scepter mit eigenen Händen zu fassen. Der Brief jedoch, worin sie ihrem Vater die Einwilligung dazu gab, wurde von Philipp aufgefangen, und Johanna sofort in ihrem Gemache in strengem Gewahrsam gehalten. 1506 schiffte sich der Erzherzog mit seiner Gemahlin nach Spanien ein, um sich der Krone zu versichern. Ein heftiger Sturm zwang sie, in England anzuhalten, wo Heinrich VII. sie auf Ferdinand's dringendes Verlangen mehr denn drei Monate zurückhielt. Endlich gingen sie wieder unter Segel und landeten zu Corunna. Da Ferdinand sah, daß sich Castiliens Adel für Philipp erklärte, legte er die Regentschaft nieder und zog sich in sein Königreich Aragonien zurück. So sah sich Philipp dann im Besitze der königlichen Gewalt, während die unglückliche Johanna, der er dieselbe verdankte, sich immer mehr ihrer dumpfen Schwermuth hingab. Nur selten wurde ihr erlaubt, öffentlich zu erscheinen; selbst ihr Vater bat vergebens um die Freiheit, sie zu sehen. Es lag in Philipp's Plane, sie der Regierung unfähig erklären zu lassen, um bis zur Volljährigkeit seines Sohnes Karl unumschränkter Gebieter zu sein; aber seine Bemühungen scheiterten an der treuen Anhänglichkeit der Castilianer an ihre angestammte Fürstin, die von den Ständen von Valladolid anerkannt wurde, und ihren Sohn Karl zum Erben der Königreiche Castilien und Leon erklärten. Da raffte ein plötzlicher Tod Philipp in der Blüthe seines Lebens hinweg, und die schwache Johanna sah sich nunmehr als die alleinige Herrin so vieler Länder. Dieser unerwartete schmerzliche Verlust verwirrte ihren Geist vollends. Unzertrennlich und leidenschaftlich, wie sie an Philipp im Leben hing, wollte sie ihn auch im Tode nicht lassen. Selbst aus dem Grabe mußte der Leichnam noch einmal hervorgehoben werden; dann legte sie ihn einbalsamirt auf ein Paradebett, und lauschte gespannt des glücklichen Augenblickes seiner Wiederbelebung; mit der Hoffnung eines solchen Wunders besänftigte sie allein den nagenden Kummer. Erst nach geraumer Zeit duldete sie es, daß man die Ueberreste ihrer zärtlichen Liebe entfernte und bei Burgos beerdigte. In diesem beklagenswerthen Gemüthszustande, unvermögend, das schwere Ruder des Staates zu lenken, weigerte sich Johanna eben sowohl, die Regierung anzutreten, als die Herrschaft einem Andern zu überlassen; demnach wurde Ferdinand während Karl's Minderjährigkeit die Regentschaft übertragen. Als jener starb, erkannten die Cortez Karl V. als König an, jedoch zu Gunsten Johanna's mit der Einschränkung, daß – sollte diese Fürstin je von ihrem Wahnsinne genesen – sie die Zügel der Regierung allein übernehmen möchte. Allein ihr Zustand verbesserte sich zu Tordesillas, wohin sie verwiesen worden war, durchaus nicht. Nur Einmal schien sie aus ihrem dumpfen Blödsinn zu erwachen, als Padilla das Haupt der Mißvergnügten des heil. Bundes sich mit einer Schar Empörer zu ihr begab, und ihr den unheilvollen Zustand des Staates und den allgemeinen Aufstand des Volkes schilderte. Sie empfing Padilla, die Abgesandten der Ligue und ihre Bittschriften mit Wohlwollen, und wohnte selbst einem Turniere bei, aber bald fiel sie in ihre frühere Geistesnacht zurück. Die Häupter des Landes suchten diesen Umstand zu verbergen und führten in ihrem Namen die Verwaltung. Nachdem die Insurgenten eine Niederlage erlitten, bemächtigte sich der Graf von Garo, der das königl. Heer befehligte, der kranken Johanna, die von da an bis zu ihrem Tode, beinahe noch 40 Jahre lang in trüber Gefangenschaft schmachtete, obgleich sie noch immer scheinbar mit Karl V. gemeinschaftlich über Spanien herrschte. Den 13. April 1555 befreite sie der Todesengel von ihren Leiden; sie wurde in der Kathedrale von Grenada an der Seite ihres Gatten beigesetzt. Nach einigen Schriftstellern soll Johanna's Geist nicht ohne Bildung gewesen sein; sie beantwortete lateinische Anreden mit vieler Gewandtheit stets sogleich und in derselben Sprache.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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