Guizot, Elisabeth Charlotte Pauline

Guizot, Elisabeth Charlotte Pauline

Guizot, Elisabeth Charlotte Pauline von Meulan, die Gemahlin des französischen Ministers des Kultus und öffentlichen Unterrichts, eine Frau, die bestimmt war die Schule des Unglücks zu durchleben. 1773 geboren, die Tochter eines angesehenen Finanzbeamten, empfing sie die sorgfältigste Erziehung, und gewählte, geistvolle Umgebungen begleiteten sie durch die Jahre der Jugend. Da zerstörte der Ausbruch der Revolution mit der Ruhe und dem Frieden so vieler Tausende auch das Glück der Familie Meulan, die ihr Vermögen und mit dem Tode des Vaters 1790 ihre einzige Stütze verlor. Bald sah sich die tiefgebeugte Witwe mit ihren zum Theil unerzogenen Kindern den drängendsten Sorgen überlassen; Pauline hatte zwar in einigen Versuchen Fertigkeit im Schreiben, Talent in der Erfindung und eine blühende Phantasie beurkundet; allein eine strenge Scheu und ein übertriebenes Mißtrauen in ihre Fähigkeiten hielten sie ab, öffentlich aufzutreten. Die Verlegenheit ihrer geliebten Mutter mußte bis zur äußersten Noth steigen, ehe sich die Tochter entschloß, ihren ersten Roman: »Les Contradictions« drucken zu lassen. So verdankte Frankreich der Kindesliebe der Demoiselle de Meulan ein schönes und erfreuliches Talent. Der Roman fand so entschiedenes Glück, daß die jugendliche Dichterin bald einen zweiten: »La Chapelle d' Ayton,« nach dem Englischen bearbeitet, folgen ließ und sich auch in andern mehrseitigen Arbeiten für Zeitschriften, namentlich für das Journal, le Publiciste, versuchte. Eine Reihe dieser Aufsätze, die sich über Tagesbegebenheiten, Theater, Sitten, Erscheinungen in der Literatur u. s. w. verbreiteten, sind unter dem Titel: »Essais de litérature et de morale,« gesammelt. So wirkte Pauline für die Existenz ihrer Angehörigen rastlos thätig, durch das Bewußtsein der heiligsten Pflichterfüllung für die mühevollsten Anstrengungen gestählt und belohnt. Allein die Last dieser unablässigen Sorgen, zu denen noch mancherlei häusliche Aergernisse kamen, wirkte auf die zarte Gesundheit der in kindlicher Liebe sich Aufopfernden so nachtheilig und zerstörend, daß sie 1807 auf das Krankenlager geworfen und zur Arbeit unfähig gemacht wurde. Die hart bedrängte Familie sah sich dadurch einer Hilfsquelle beraubt, die ihr unentbehrlich geworden war, als Pauline einen Brief empfing, worin sich ein Ungenannter erbot, ihre Arbeiten für das Journal, le Publiciste zu versehen. Jeden Tag kamen ihr auf so geheimnißvolle Weise Aufsätze zu, und noch immer weigerte sich der Unbekannte, sich zu entdecken, bis sich endlich auf Paulinens dringende Bitten Guizot, der damals zwanzig Jahr alt und Mitarbeiter an vielen Zeitschriften war, ihr vorstellte. Diese fast romantische Verbindung vermittelte den Einklang zweier Geister, die geschaffen waren, sich zu verstehen und gegenseitig zu verklären; bald entwickelte sich aus der Uebereinstimmung des Geschmacks und der Empfindungen eine tief begründete, innige Freundschaft und 1812 wurde dieses Band durch den Segen der Kirche für das ganze Leben geheiligt. Niemals vielleicht war eine Ehe mit so schönen Vorbedeutungen geschlossen worden; jeder Theil sah in dem Werth des andern die sicherste Bürgschaft für das ungetrübteste Glück, dessen sie sich 15 Jahre hindurch erfreuten. Mad. Guizot hat sich in ihrem »Journal d'une mère« ein unsterbliches Denkmal gesetzt; sie arbeitete von nun an für ihr Kind mit eben der Liebe, als sie früher für ihre Mutter gewirkt hatte und gab außer einigen kleinern Erziehungsschriften, 1823 ihre vortrefflichen »Lettres de famille sur l'éducation domestique« heraus. Eine zehrende Krankheit nagte an ihrem Leben; mit Ruhe und Ergebenheit sah sie ihrer Auflösung entgegen; es war am 1. August 1827, als die edle Frau, während ihr Gemahl eben die herrliche Rede Bossuet's über die Unsterblichkeit der Seele auf ihre Bitten vorzulesen begonnen hatte, von dem sanftesten Kusse des Todesengels berührt, vollendete.

X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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