Griechenland (v Geschichte)

Griechenland (v Geschichte)

Griechenland (Alte Geschichte). Aus dem Schooße des Meeres stieg die Schönheit mit dem unwiderstehlichen Gürtel des Liebreizes geziert, die mächtige Beherrscherin des Himmels und der Erde, die Göttin der Liebe, die goldene Aphrodite, empor, wurde mit dem Vulkan vermählt und beglückte den kriegerischen Mars mit heimlicher Liebe. In diesem schönen Mythus liegt die ganze Bildungsgeschichte des alten Griechenthums. Nur ein von so vielen Meerbusen durchdrungenes, aus Inseln und Halbinseln bestehendes Land, wie Griechenland, und das gegenüber liegende, vielbuchtige, verwandte Kleinasien, ist einer so hohen, theils aus sich selbst erzeugten, theils sich ganz zum Eigenthum erworbenen Bildung fähig, deren erstes und höchstes Gesetz die Schönheit war. Die Schönheit ist des Hellenen reizendste Göttin und sie kam ihm aus dem Meere zu. Sie vermählt sich mit der schaffenden Kraft, sie beglückt den kriegerischen Sinn des Griechen, und so sänftigt und verschönert sie das Leben in seinem Bildungs- und Zerstörungstriebe; sie herrscht, sie beglückt überall, so weit der von ihr gebildete Wohllaut der griechischen Sprache tönt. Bevor die Sonne der Geschichte über Hellas aufgeht, überglänzt eine purpurflammende herrliche Morgenröthe die ungewissen Gestalten mit dem Golde der Sage; denn die geschichtliche Aurora ist die Mythenspenderin; halb sind die Gestalten, die in ihr wandeln, noch von Nacht und Dämmerung umhüllt, halb mit den Prachtfarben der Poesie überhaucht und erscheinen so gigantischer, wunderbarer, reizgeschmückter, als die spätern, von der Sonne hell beleuchteten Gebilde. Kein Volk hat eine prächtigere Morgenröthe gehabt, als die Griechen. Wollte man die Wesen jener Mythenzeit des morgenröthlichen Glanzes entkleiden, so würden sie in Nacht versinken. Es ist eine vergebliche und verwirrende Mühe, die Heroen der Mythe in geschichtliche Helden zu verwandeln und aus dem tiefsinnigen Kindertändeln der Sage historische Schlüsse zu ziehen. – Der erste Tagstrahl der griechischen Geschichte trifft auf ein Volk, die Pelasger genannt, das von Asiens Höhen herabgestiegen sein soll; ein anfangs schwächerer Volksstamm, der neben ihnen auftritt, die Hellenen, wird dann der mächtigere, verdrängt jene, und steht bald als alleinherrschend da. Die Sage nennt Deukalion ihren König; vom Sohne desselben Hellen entlehnt sie des Volkes Namen. Der hellenische Stamm bricht in vier Hauptäste aus, die der Dorer, Aeoler, Ionier und Achäer. Obgleich anfangs eben so roh und ungebildet, wie die Pelasger, machten die Hellenen doch früh mächtige Fortschritte in der Kultur; der heitere Himmel und das befreundete Meer nahmen das jugendliche Volk in Vormundschaft und zogen es bald mündig. Befördert wurde diese Ausbildung durch Einwanderungen einzelner Stämme aus bereits hoch kultivirten Ländern, Aegypten, Phönicien etc. Der religiöse Kultus war es vorzüglich, der, wenn auch theilweise eingewandert, doch vom heitern, selbstschaffenden Geist des Hellenen umgeprägt, bald den Stempel griechischer origineller Schönheit trug. Die sprudelnde Jünglingskraft des Volkes brach in seltsame Züge und Abenteuer aus, die, als erste Blüthe des spätern Heldengeistes, das Heldenalter oder heroische Zeitalter bezeichnen. Als solche sind vorzüglich der Zug der Argonauten nach Kolchis, der Krieg der sieben Fürsten gegen Theben etc. zu bezeichnen, alle ungefähr um 1200 vor Christus, in welchen jene Halbgötter und Helden auftraten, die das Band zwischen dem Mythus und der Geschichte bilden; endlich das schon bedeutende Nationalunternehmen aller hellenischen Völkerschaften, der Krieg gegen Troja (1194–1181). Noch viel wichtiger wurden diese Heldenfahrten dadurch, daß sie als Gegenstände einer Nationalpoesie, wie sie kein Volk weiter besitzt, der blühenden Phantasie des Hellenen weiten Spielraum gewährend, von Geschlecht zu Geschlecht der den Heldengeist und die Poesie entzündende Funke wurden. Noch ein ganzes Jahrhundert lang fallen in das heller aufdämmernde Gebiet der Geschichte die bunten Streiflichter der Sage, die sich in Familienverhältnisse, vorzüglich in die des Pelops, verweben; daran reihen sich die Wanderungen der verschiedenen Stämme und das Verrücken ihrer Wohnsitze, von den Herakliden, den sogenannten Nachkommen des Herkules, veranlaßt. Diese, vor zwei Jahrhunderten aus dem Peloponnes vertrieben, führten nun die rohen nördlichen Stämme, die man gewöhnlich unter dem Namen der Dorer begreift, in den Peloponnes zurück. Die Achäer werden vertrieben, werfen sich auf die nördlichern Ionier und geben dem eingenommenen Land ihren Namen Achaja; die Ionier werden von ihren Stammverwandten, den Athenern, aufgenommen. Von nun an vereinigen sich die verschiedenen Zerklüftungen des Hellenenthums allmälig immer mehr in zwei Hauptmassen, die in Sprache, Sitte, Verfassung, Poesie, öffentlichem und Privatleben zwei streng geschiedene Gegensätze bilden, den Ionismus und Dorismus, oder nach den Hauptstädten, Athen und Sparta. Jene hellenische Völkerwanderung hatte auch die Anlegung griechischer Kolonien in Vorderasien zur Folge. Die Regierung der Stammfürsten ging bald in republikanische Verfassung über. Sparta und Athen ragen als Höhenpunkte hervor, um welche sich die anderen Staaten gruppiren; sie sind die beiden Hauptgemälde des hellenischen Volkslebens, beide schön, das eine durch bunte, glänzende Mannichfaltigkeit, das andere durch erhabene, fast strenge Einfachheit. Die Stadt oder der Staat Sparta, denn jede einzelne Stadt bildete einen Freistaat, maßte sich erst den Rang, dann die Herrschaft über die übrigen Städte im Peloponnes an, und dadurch wurden fortwährende Kriege veranlaßt. Das gesunkene Ansehen der Könige, von denen in Sparta stets zwei zugleich regierten, veranlaßte Lykurg, Sparta um's Jahr 880 eine Verfassung zu geben, die dieses Staates Größe und Eigenthümlichkeit schuf. Die Macht der Könige wurde dadurch sehr verringert und bis zu bloßen Führern im Kriege eingeschränkt, das Gesetz erhielt dagegen eine ungeheure Gewalt; der Zweck war, eine unbezwingliche Soldatenrepublik zu bilden, und dazu wurde jeder Bürger als Staatseigenthum betrachtet und hatte dessen Gebote unweigerliche Folge zu leisten. Die Besiegung der Messenier (742–668) und Bekriegung anderer Völker im Peloponnes erhoben Sparta allmälig zum ersten der dorischen Staaten, bis es mit Athen in nähere Berührung und endlich in Rivalisation kam. Athen wurde vom Heroen Theseus erst zum Staat erhoben (1300). Die Eintheilung des Volkes in Edle, Ackerbauer und Gewerbtreibende scheint älter zu sein. Dem Theseus folgten noch sechs Könige, deren letzter Kodrus einen mythisch bedingten, freiwilligen Opfertod für's Vaterland stirbt (1068). Aus seinem Geschlechte herrschten lebenslängliche Archonten, deren Amt erblich war, die aber dem Volke Rechenschaft abzulegen hatten. Es gibt deren dreizehn (1068–752); sie waren Könige ohne den Titel, den Kodrus durch seinen Tod so geheiligt hatte, daß ihn ferner kein Sterblicher mehr führen sollte. Der Ehrgeiz der Vornehmen beschränkte die Zahl derselben im Laufe der Zeit auf sieben und neun. Diese Aristokratenkämpfe führten zu einer völligen Anarchie, aus welcher der Archon Solon den Staat durch eine neue weise Verfassung rettete (594). Solon war einer der wohlthätigen Genien, welche zuweilen glückbringend zur Erde herniedersteigen. Schon dreißig Jahre früher hatte Drakon Gesetze gegeben, aber man sagt, sie seien mit Blut geschrieben gewesen, d. h. sie waren durch ihre grausame Härte unbrauchbar. Solon schrieb die seinigen mit den freundlichen Farben der Menschen- und Vaterlandsliebe. Athens Größe und Herrlichkeit wurde dadurch sein Werk. Sein Streben ging vorzüglich dahin, dem gedruckten Volke wieder zu seiner moralischen Kraft zu verhelfen. Kaum aber wurde sich das Volk seiner dadurch errungenen Freiheit bewußt, als ein junger genialer Mann, aus der demokratischen Partei, Pisistratus, sich kühn und schnell zum Oberhaupt des Staates, zum Tyrannen von Athen emporschwang. Ihm folgten darin seine beiden Söhne Hippias und Hipparch, deren letzterer (514) ermordet, ersterer von einer Partei verdrängt, zu den Persern floh (510). Dort wiegelte er den König Darius I. gegen Athen auf. Mit den Perserkriegen beginnt die glänzende Epoche höchster, griechischer Kultur und staunenswerthester Kraft. Griechenland, dessen einzelne Staaten bis dahin jede eine einzelne innere Geschichte hatten, erhält jetzt eine allgemeine äußere. Die Aufhetzungen des Hippias am persischen Hofe veranlaßten den König Darius, eine bedeutende Heeresmacht auf einer Flotte gegen Griechenland zu entsenden, aber von einem Sturm zertrümmert, brachte sie den Thraciern vielmehr Nutzen durch die ihnen in die Hände fallende große Beute (493). Nur noch gereizter brachte Darius ein ungeheures Heer gegen Sparta und Athen auf, die es von allen Staaten allein gewagt, sich auf seine Aufforderung zur Unterwerfung nicht zu ergeben. Das persische Heer erschien unter des Hippias Leitung siegreich auf Euböa, drang vor, schlug in Athens Nähe sein Lager auf und versuchte einen Ueberfall der Stadt; es wurde zurückgeschlagen, und der Athener Miltiades vernichtete in den Ebenen von Marathon mit einem Haufen von ungefähr 11,000 Mann das persische Heer von 200,000 Streitern (490). Zwar starb Miltiades im Gefängniß, in welches ihn sein Vaterland nach einer verunglückten Expedition gegen die persisch gesinnten Inseln gelegt, aber er machte so den Männern Platz, die den Grund zu Athens Größe eigentlich gelegt haben, und erweckte in seinen Landsleuten die Idee zur nachherigen Herrschaft des Meeres. Denn nun traten der geniale, staatskluge Themistokles und der uneigennützige charakterfeste Aristides an die Spitze des Staates, dessen Geschichte fast die ihrige wird. Beide Männer rivalisiren; Themistokles führt die Flotte siegreich gegen die Inseln, Aristides hält unterdessen des Staates Zügel; nach jenes Zurückkunft wird dieser verbannt, und Themistokles regiert allein, und sein glänzendes Talent erhebt Athen schnell zu einer Seemacht. Er bewirkt die Verbindung der einzelnen griechischen Staaten, er haucht den Athenern seinen Geist ein und tritt den Spartanern die Ehre des Oberbefehls ab, als Xerxes I., König von Persien, die Schmach seines Vorfahren zu rächen, eine ungeheure Macht ausrüstete und einen Theil derselben an die thracische Küste absetzte. Hier im Engpasse von Thermopylä starb Leonidas den Heldentod mit seinen 300 Spartanern und 700 Thespiern, indem er sich todesmuthig der persischen Heeresmacht entgegenwarf und den Kern derselben vernichtete (6. Juli 480). Fast zu gleicher Zeit wurde die persische Flotte durch Themistokles bei Artemisium auf Euböa geschlagen, und obgleich Xerxes Athen einnahm und verbrannte, so war es doch ganz leer, und als er im Seetreffen bei Salamis (23. September 480) seine Flotte fast vernichtet sah, mußte er einen schimpflichen Rückzug antreten. Das in diesen Kämpfen mehrmals wankende Vertrauen der Griechen auf ihre Kraft gewann nun Festigkeit, und die Landschlacht bei Platää unter dem Oberbefehl des Spartaners Pausanias und des zurückberufenen Aristides, dann die Seeschlacht bei Mykale befreieten Griechenland auf immer von den Persern, und selbst die kleinasiatischen Kolonien wurden durch das siegreiche Mutterland vom persischen Joche befreit, Des Pausanias Uebermuth und Verrätherei bewirkte, daß die Befehlshaberschaft an Athen kam, und somit war diesem Staate die Bahn zum höchsten Ziele eröffnet, das er nun auch schnell erreichte; denn von 470 bis 430 ist seine Glanzperiode. In diese kurze Zeit drängen sich so herrliche Erscheinungen, von einem merkwürdigen Zusammenfluß der glücklichsten Umstände veranlaßt, von hochbegabten Männern erfaßt, wie sie die Weltgeschichte nirgends weiter aufzuweisen hat. Athen wurde nicht nur in politischer Hinsicht die Beherrscherin Griechenlands, es wurde auch die Königin der Geister. Das Nationalgefühl, von Kunst und Poesie gefeiert und verherrlicht, durchdrang alle Lebenspulse und trieb jene kostbaren Geistesblüthen, die so nicht wieder emporgekommen sind, frisch und lebendig keimten sie aus der Lebensharmonie, die öffentliches und Privatleben in einander verschmolz, aus einem hochherzigen Selbstbewußtsein des ganzen Staats. Da verherrlichten die tragischen Dichter ihr Vaterland, da bauete sich Sokrates seine Schule, die Redner rissen das Volk mit dem lebendigen Worte hin, und Plato schrieb seine ewig jungen Werke. In Athen reiste damals der höchste und edelste Lebensgenuß, man lernte da für das reizende Vaterland leben; in Sparta lernte man nur dafür sterben. Die rauhe, dorische Sitte, das harte, lykurg'sche Gesetz machten den Spartaner zum natürlichen Feinde des lebensheitern Atheners, und weil jenem das Einzige, was er besaß, sein Kriegerstolz, dadurch hart gekränkt worden, daß der Oberbefehl der hellenischen Staaten ihm entrissen und an den gehaßten Athener gekommen war, erwachten Neid und Eifersucht, die allmälig zur offenen Feindseligkeit wurden und den verderblichen peloponnesischen Krieg herbeiführten (431–404). Die größten Männer jener leuchtenden Zeit sind Kimon, der Sohn des Miltiades, der nach des Themistokles Verbannung, Lenker des athenischen Staats wurde und vielleicht der edelste Grieche war; auch er wurde verbannt, wie fast alle große Männer Athens; Perikles, ein genialer Kopf, tritt an die Spitze des Staats, wo er sich bis zu seinem Tode behauptet, 467–429. Er führte eine glänzende Verwaltung ein, begünstigte Künste und Wissenschaften fast verschwenderisch, und so nennt man Athens Blüthenzeit das Zeitalter des Perikles. Der zurückberufene Kimon hatte im Kampf gegen die Perser das Mittel zur Erhaltung der Einigkeit unter den Griechen gefunden, und er wandte es an, so lange er lebte; neue Siegeskränze, bei den Persern gepflückt, schmückten ihn, als er zu früh für sein Vaterland 449 starb. Allmälig bildete sich nun ein großer Gegenbund unter den übrigen Staaten gegen Athen, an dessen Spitze Sparta stand, und so schlug endlich die Kriegsflamme empor, welche die Blüthe Athens versengte. Gleich nach dem ersten Jahre des Krieges brach in Athen die furchtbare Pest aus, als deren Opfer Perikles fiel. Die hervorstechendste Erscheinung in diesem Kriege ist der schlaue und talentvolle Athener Alcibiades, Mündel und Enkel des Perikles. Athen unterlag zuletzt den Spartanern, die sich mit den Persern verbunden hatten; Sparta trat an die Spitze des verbündeten Griechenlands, setzte dreißig Tyrannen über Athen, die durch Thrasybul vertrieben wurden. Die Verfassung Solon's wurde wieder eingeführt, aber die Form war nicht mehr von dem entflohenen Geiste belebt. Ein Krieg Sparta's mit Persien (400) gab seinem größten Könige Agesilaus Gelegenheit, sich zu zeigen, und er würde den persischen Thron gestürzt haben, wenn die Perser nicht einen Krieg im Innern Griechenlands gegen Sparta erregt hätten, zu dem dessen unerträgliche Tyrannei Veranlassung gab; er heißt der korinthische Krieg (von 394–387), weil Korinth an der Spitze der verbündeten Staaten stand, denen sich auch Athen anschloß. Sparta's Uebermuth rief endlich einen noch mächtigern Widerstand auf, und Theben, durch zwei Männer groß geworden, Epaminondas und Pelopidas, trat als Sparta's Rivalin in die Schranken, und brach die dorische Macht in glücklichen Siegen. Von 378–362 spielt Theben die Hauptrolle in Griechenland; mit des Epaminondas Tode erlöscht seine Macht schnell wieder. Die blutigen Kriege um den Primat hatten alle Staaten in Ohnmacht gestürzt und nun stand kein Staat an der Spitze. Die hohen Tugenden, welche Griechenland so groß gemacht, waren schon hundert Jahre nach seiner Blüthe so gänzlich verschwunden, daß, als Macedoniens im Norden unter seinem König Philippa aufsteigende Macht immer bedrohlicher wurde, die Staaten, statt, sich wie einst, zur gemeinsamen Abwehr zu verbinden, in einem aus Privatinteressen entstandenen Bürgerkriege sich vollends schwächten. Dieß machte es dem schlauen Philipp nicht schwer, nach der siegreichen Schlacht bei Chäronea gegen das verbündete Athen und Sparta (338) sich zum Oberfeldherrn Griechenlands ernennen zu lassen (336); und somit war es mit der vielgepriesenen, griechischen Freiheit zu Ende. Wir sehen Griechenlands Größe, von ihrem Aufblühen bis zu ihrem Untergange in den kurzen Zeitraum von zweihundert Jahren zusammengedrängt von Pisistratus bis zur macedonischen Herrschaft, schnelles Aufflammen und eben so schnelles Verlöschen hoher politischer Kraft, durch Zusammenhalten erzeugt, durch Uneinigkeit vernichtet. – Aus einer wenig bedeutenden hellenischen Kolonie emporgewachsen, vom Mutterlande nie recht anerkannt, erst seit dem persischen Einfall in die Schicksale desselben verwickelt, gelangte Macedonien durch seinen König Philipp zu politischer Größe. Seiner planmäßigen Berechnung und seiner Beharrlichkeit in Ausführung der klugen Entwürfe konnten die mit sich zerfallenen griechischen Staaten nicht die Wage halten. Nachdem sie sich im Bürgerkriege, dem sogenannten heiligen Kriege, den er schlau zu unterhalten wußte, selbst geschwächt, fing er Krieg mit ihnen an und besiegte sie. Sein Sohn Alexander der Große, ein Jüngling voll kühnen Feuergeistes, trat mit des Vaters Kraft handelnd auf und bewirkte in dreizehn Jahren eine Weltrevolution, die gleich wichtig durch ihren Umfang, wie durch ihre Dauer ist. Griechenland mußte ihm blind gehorchen und seine Söhne und Schätze dem Eroberer abtreten. Nach seinem Tode (323) flammte der griechische Geist noch ein Mal in einem Freiheitskampfe, dem sogenannten lamischen Kriege, wozu sich die meisten Staaten unter Anführung Athens verbanden, auf, aber Antipater, der Herr Macedoniens, wurde ihrer endlich doch Meister und legte ihnen nun ein um so härteres Sclavenjoch auf. Nun blieb Griechenland der Tummelplatz der verschiedenen Eroberer, ein Krieg drängte den andern und diese ganze Geschichtsperiode ist gleich verwickelt wie uninteressant. Kassander und Demetrius Poliorcetes, nach einander Könige von Macedonien, sind auch die Herren Griechenlands. Pyrrhus, König von Epirus, nach Demetrius Tode eine kurze Zeit König, mußte dem Lysimachus weichen, dieser wurde von Seleukus, dem Herrn von Asien, besiegt und getödtet, und Seleukus verlor Thron und Leben durch den Einfall der Gallier in Macedonien und Griechenland (279) Dieser furchtbare Sturm drohete Griechenland gänzlich zu verwüsten, doch verhinderte dieß das Zusammentreffen mehrerer Umstände. In Macedonien wechselten die von ihrem Heere abhängigen Herrscher oft, selbst Pyrrhus, König von Epirus, gelangte wieder zum Thron, kam aber im Kampf gegen Griechenland um (272). Antigonus Gonnatas richtete sein Auge ebenfalls auf Griechenland, zu dessen gänzlicher Unterwerfung er mit der Einnahme Korinths gut begann. Aber hier hatte sich der ätolische und der noch viel wichtigere achäische Bund gebildet, und die einzelnen Staaten traten entweder zu dem einen oder dem andern, um die alte Freiheit des Vaterlandes zu erringen und den griechischen Namen mit dem frühern Glanze zu umgeben Es war eine schöne Abendröthe, ehe Hellas ganz in Nacht versank, das letzte Aufflackern der Flamme, ehe sie verlischt Der achäische Bund, der nun bis zu Griechenlands Unterjochung durch die Römer die Hauptrolle in seiner Geschichte spielt, wurde durch drei Männer groß: Aratus (von 251–213), Philopömen bis 183 und Lykortas bis um 170. Die innere Verdorbenheit Sparta's und seine verblendete Hartnäckigkeit machte es zum Feinde der Achäer, die sich nun mit den macedonischen Königen Antigonus und Philipp II. verbanden; der achäische und ätolische Bund bekämpften sich im Bundesgenossenkriege (217). In feindliche Berührung mit den kriegerischen Römern gekommen, hatte Philipp II. an den Achäern immer noch eine starke Stütze, aber als sie T. Quintius Flaminius, der list- und ränkevolle Römer, der die Griechen mit dem Zauberwort Freiheit berauschte, zum Treubruch verleitete, wurde Philipp's Macht in der Schlacht bei Kynoskephale 197 gebrochen und Griechenlands künftiges Schicksal entschieden; denn wenn die Griechen auch über die öffentliche Erklärung der Freiheit Griechenland bei den isthmischen Spielen durch Flaminius jubelten, so mußten sie doch bald genug Roms Politik erfahren, die sie gegenseitig aufhetzte und in Streit erhielt, bis der letzte macedonische König Perseus ihrer Treulosigkeit und Macht erlegen und die Reihe nun auch an den achäischen Bund und Griechenland kam. Es wurde ihnen von den übermüthigen Siegern des Perseus schon zum Verbrechen angerechnet, daß sie neutral geblieben waren. Ueber Tausend der angesehensten Achäer mußten zur Verantwortung nach Rom wandern und dort siebenzehn Jahre grundlos und rechtswidrig gefangen bleiben; an die Spitze des Bundes setzten sie den Angeber Kallikrates, der es ruhig anhörte, wenn ihn die Buben auf der Gasse einen Verräther schimpften. Das Gaukelspiel mit der wieder geschenkten, griechischen Freiheit endigte nach mehrfachen Reibereien und Empörungen gegen die Römer mit der Einnahme und Zerstörung Korinths (146) durch den römischen Feldherrn Mummius. – Metellus hatte kurz vorher die letzten Kräfte der Achäer gebrochen. Griechenland ward unter dem Namen Achaja eine römische Provinz, wenn man auch einzelnen Städten, wie Athen, das noch mehrere Jahrhunderte der Sitz der Wissenschaft und Kunst blieb, einen Schatten von Freiheit ließ

St.

(Mittlere Geschichte.) So blieb Griechenland 550 Jahre lang römische Provinz, bis es nach Theodosius des Großen Tode (395), welcher seinem Sohne Arcadius den morgenländischen, dem jüngern Honorius aber den abendländischen Thron hinterließ, als selbstständiges byzantinisches oder oströmisches Reich wieder in die Reihe unabhängiger Staaten trat und seine eigene Geschichte erhielt. Diese umfaßt eine Reihe von 1058 Jahren und ist gewiß eben so arm an Großthaten und Glanzmomenten, als reich an Schmach, Gräueln, Entwürdigungen, Werken des Fanatismus und Schwachheiten jeder Art, wie kaum eine andere der Welt. – Wir können hier nur die Hauptmomente hervorheben; denn so groß auch die Fülle der Begebenheiten ist, so unerquicklich, unerhebend wird ihre specielle Aufzählung. Die Verfassung des Reichs war despotisch, sie wurde sogar asiatisch-despotisch und umgab sich mit prunkenden Titeln, mit orientalischem Luxus und knechtischem Ceremoniel. Unter den schwachen Fürsten, die theils durch Mord oder Empörung, theils durch Hofkabalen und Gewaltstreiche auf den Thron gelangten, erschlaffte das Volk, versank gleich dem Hof in schwelgerische Lüfte und war keiner Erhebung weiter fähig; deßhalb wurden die Legionen des Reichs aus Barbaren: Hunnen, Bulgaren, Saracenen, Deutschen gebildet, die sich ihren Gebietern oft selbst gefürchtet machten. – Schon 450 starb der Mannsstamm des großen Theodosius aus. Von da an wurde der Thron oft nach dem Willen des Heeres besetzt, soz. B. durch Leo I. Um diese Zeit zerrütteten kirchliche Streitigkeiten das Land, namentlich da die Kaiser selbst Partei darin ergriffen, die Patriarchen im Kriegsrath präsidirten und Visionen oder Reliquien über einen Sieg, eine Eroberung entscheiden sollten. Es entstand ein völliger Bruch mit Rom. Die Gemahlin Kaisers Zeno, Ariadne, erhob einen Höfling Anastasius durch ihre Hand auf den Thron; unter ihm bemächtigten sich (500) die Bulgaren der Bulgarei. Gleich darauf schwang sich Justinus I., der Befehlshaber des Heeres, auf den Thron; unter der Regierung seines Neffen Justinian entwickelte das Reich einige bedeutende Kräfte nach Außen, besonders durch die Siege Belisar's über die Vandalen und Ostgothen. Unter Justinian wurde noch anderweitig segenbringend gewirkt; er ließ eine Gesetzsammlung veranstalten und den Seidenbau in Europa einführen. Aber Alles dieses sank unter seinen Nachfolgern, die eben so rasch zum Throne gelangten, als sie von demselben verschwanden. Das Reich wurde abwechselnd von Avaren und Neupersern bedrängt. Bis 650 hatten die Saracenen schon Syrien, Aegypten und Nordafrika erobert. Constantin I. wurde von seiner Stiefmutter getödtet, sein Nachfolger gestürzt, der grausame Justinian II. von seinem Feldherrn Leontius abgesetzt, letzterer später aber eingesperrt. Er entfloh, eroberte mit Hilfe der Chazaren (eines Tatarenvolkes) Constantinopel wieder und richtete ein schreckliches Blutbad an. – Sogar ein Steuereinnehmer Theodosius wurde von der empörten Flotte zum Kaiser ausgerufen. Die Araber belagerten 717 vierzehn Monate lang Constantinopel. L eo rettete das Reich. Ein großer Zwiespalt entstand wegen des Bilderdienstes, Grausamkeiten und Verfolgungen waren an der Tagesordnung. Die Kaiserin Irene ließ ihrem Sohne die Augen ausreißen, um den Thron allein zu behaupten. Leo der Armenier, früher Feldherr, fiel von den Händen der Bilderanbeter in einer Kirche. Nach ihm wurden abermals Mehrere vom Throne gestürzt. – Durch Basilius (866) kam wieder einige Kraft und Ordnung in das zerrüttete Reich. Unter seinen Nachfolgern fiel das Khalifat in Trümmer und die Gefahren von Außen minderten sich; aber neue Palastrevolutionen führten neue Zerrüttungen herbei. Es erfolgten Vergiftungen der Väter von Seiten der Söhne, Ermordungen der Gatten von Seiten der Kaiserinnen. Der tapfere Feldherr Romanos von Aryglos mußte die 48jährige Prinzessin Zoe heirathen, sie opferte ihn ihrem Liebhaber Michael IV. Nach seinem Tode wählte sie einen neuen Gemahl Constantin VII. – Eudoxia machte den schönen Feldherrn Romanos Diogenes zum Kaiser (1068.) Die Seldschucken erobern ganz Kleinasien, die Slaven Serbien. – Die Kreuzzüge beginnen, allein sie bringen nur kurze Rettung für das Land. Andronikos laßt den jungen Alexius II. ermorden, er selbst wird vom Volke getödtet, sein Nachfolger geblendet. Der Sohn des Letztern ruft die Kreuzfahrer zu Hilfe. Sie erobern Constantinopel und setzen Isaak Komnenos auf den Thron. Die Kreuzfahrer hatten die Annahme der abendländischen Kirche zur Bedingung gemacht; da diese nicht erfüllt werden konnte, so verübten sie Gräuel, zerstörten Kirchen und Kunstwerke etc. Sie wählen ihren Anführer, den Grafen Balduin von Flandern, zum Kaiser. Er theilte einen großen Theil des Reiches unter seine Ritter und so bildeten sich viele kleinere französische und venetianische Herrschaften. Es entstand ein kleines Kaiserthum von Trapezunt unter Alexius. Laskaris gründete 1206 ein zweites Kaiserthum Nicäa, in dem er die wahre griechische Kirche schützte. Das Leben des katholischen Kaiserthums der Franzosen war aber unter solchen Umständen ein schwaches und kurzes. Es endigte unter Balduin II. Michael Paläologos ward 1260 zum Kaiser ausgerufen und eroberte 1261 Constantinopel wieder. Die Franzosen flüchteten. Aber die Gefahr von Osten her wird größer, Michael fleht das Abendland um Hilfe an und will die Herrschaft des apostolischen Stuhles anerkennen, aber vergebens! Unter Andronikos dem Jüngern, der die Krone seinem Großvater entreißt, machen sich die Osmanen im Bosporus gefürchtet. Orchan, der Sohn Osmans, erobert Prusa, Nicäa und Nikomedien 1339, und faßt 1357 festen Fuß in Europa. Murad I. erobert Adrianopel und verlegt hierher seine Residenz. Johann Paläologos fleht abermals und vergebens Europa um Hilfe an. Murad, der nach Norden zu vordringt, fällt in der Schlacht am Amselfelde gegen die Serbier. 1390 erscheinen die Osmanen unter den Mauern von Constantinopel und fallen ein Jahr später in Ungarn ein. Sigismund von Ungarn verlor 1396 die Schlacht von Nikopolis gegen sie. Johann Paläologos II. beherrschte die Trümmer des oströmischen Reiches bis 1418, unterwarf sich dem Papste, aber die wüthendsten religiosen Streitigkeiten in Constantinopel schwächten ihn und vernichteten seine Bemühungen. Die Osmanen faßten immer festeren Fuß in Europa, Muhamed II. erschien mit ungeheurer Heeresmacht den 6. April 1453 vor Constantinopel und erstürmte es den 24. Mai nach einer wüthenden Gegenwehr. Noch während der Belagerung dachten die Griechen nur an ihre schismatischen Uneinigkeiten. Der letzte griechische Kaiser Constantin Paläologos fiel heldenmüthig auf den Mauern der Stadt. – Die Riesenceder der alten Hellas, das mächtige Byzanz, die mehr als zweitausendjährige, in der Wurzel verfault, im Stamme zermorscht, in den Zweigen gebrochen, stürzte krachend nieder und ihr Fall erschütterte die kultivirte Welt. Das Donnergekrach weckte die Fürsten und Völker aus ihrer Lethargie, aber zu spät; das Reich der Osmanen in Europa war gegründet, der Halbmond schien drohend und blutig über den Südosten des christlichen Welttheils herüber, ihre kriegerische Faust machte sich über Leichenhügel Bahn bis an die Mauern von Wien, ängstigte die Völker des Abendlandes, und unter ihrer despotischen Macht seufzt bis auf den heutigen Tag noch ein Theil des schönsten Landes der Erde. – Trotz seiner Versunkenheit unter den Byzantinern war Griechenland noch lange Zeit der Träger der Kultur; hier blühten Wissenschaften und Künste, während das ganze Mittelalter hindurch im übrigen Europa noch großes Dunkel herrschte. Auch damals blieb es reich an Gelehrten, die uns die Werke des Alterthums aufbewahrten, und nach Constantinopels Fall nach Italien auswanderten, und von da aus die Weisheit der Alten, die reichen Schätze des Wissens und der Poesie, in dem übrigen Europa verbreiteten. – Unter den Fürsten zeichneten sich trotz der äußern Stürme und inneren Familienzerwürfnisse mehrere durch Gelehrsamkeit und Neigung zu derselben aus, z. B. Justinian der Gesetzsammler, Leo der Philosoph etc. Anna Komnena (s. d.), eine Fürstin von Talent und tiefer Gelehrsamkeit, glänzte als Schriftstellerin

B.

(Neue Geschichte.) Erst nach der Einnahme Constantinopels verloren die herabgewürdigten, entkräfteten, jedes höhern Aufschwungs unfähigen Nachkommen der alten Hellenen auch noch das Letzte: ihre Bildungsanstalten und literarischen Schätze. Zwei Jahrhunderte vergingen in der stockfinstern Nacht der Bedrückung unter der Despotie der Barbaren, ehe sich ein Tagesstrahl wieder in dem unglückseligsten aller europäischen Völker regte. Aber ein Strahl blitzte auf, die Morgenröthe leuchtete endlich wieder, die Fabel vom Phönix versinnlichte sich in Griechenlands Wiedergeburt! Im 18. Jahrhundert, als Griechenland eine Zeit lang der Pforte von den Venetianern entrissen wurde, zuckte der erste Funke wieder aus der Asche. Unter die osmanische Herrschaft bald darauf zurückgekehrt, regt sich der Geist des Widerstandes unter den Griechen, die Apathie weicht, es werden Schulen angelegt und militärische Gemeinschaften entstehen im Volke. Lebendiger wird es in der Asche, als Rußlands Katharina II. den großen Gedanken faßt, Griechenland vom türkischen Joche zu befreien, obgleich ihre Bemühungen unzulänglich und erfolglos waren. Doch der griech. Handel erhob sich, griech. Schiffe durften unter russischer Flagge fahren. Die französische Revolution erweckte glühende Freiheitsgedanken, der Thessalier Rhigas schuf die Hetärie, einen Bund zur Befreiung Griechenlands. Zwar starb er den Tod auf dem Schaffote, aber sein Geist lebte fort. Von Rußland aus, wo sich Viele der edelsten Griechen aufhielten, verbreitete sich die Verbrüderung über alle Handelsstädte, sie gewann die Gebirgsbewohner, die gefürchteten Klephten und Armatolen für ihre Zwecke. Alexander der Ypsilanti, der aus russischen Diensten nach Griechenland zurückkehrte, wurde das Haupt der Hetärie und bestärkte die Griechen in dem Glauben an russische Hilfe. Er erschien den 7. März 1820 in Jassy, rief die Griechen zu den Waffen und sammelte ein Heer um sich, dessen Kern die heilige Schar, bestehend aus jungen, im Ausland gebildeten Hellenen, ausmachte. Aber Alexander war mit seinen Mitteln dem großen Werke noch nicht gewachsen, der Aufstand in Bucharest wurde gedämpft, die gehoffte, nie ernstlich verheißene russische Hilfe blieb aus, im Innern des Heeres entstand Mangel und Unordnung, die Unterbefehlshaber geriethen mit einander in Streit, ein türkisches Heer schlug die Griechen (Juni 1821) bei Dagaschan. Alexander Ypsilanti flüchtete auf östreichischen Boden und wurde, da man ihn nicht ausliefern wollte, östreich. Staatsgefangener. Er starb nach seiner Befreiung 1827 in Wien. Zwar folgten jetzt einzelne Schlachten und Metzeleien, Heldenthaten und Aufopferungen; aber ihre Erfolge waren klein und unbedeutend für das Heil des Landes. Der Aufstand im Norden hatte auch im Süden gezündet. Anfangs April brach er in Patras aus. Nach blutigen Kämpfen wurde die Sache der Griechen befestigt und eine Regierungscommission eingesetzt. Die Inseln folgten diesem Beispiele, indem sie sich für frei erklärten. In den östlichen Provinzen griff das Landvolk zu den Waffen, Theben und Athen wurde genommen. Noch zauderte die ohnmächtige Pforte in Ergreifung energischer Maßregeln. Da brach in Constantinopel eine Verschwörung zu Gunsten der Griechen aus, sie wurde entdeckt, eine furchtbare Metzelei erfolgte, über 30,000 Griechen, darunter die angesehensten Männer, starben unter dem Schwert der fanatischen Türken. Dieser Gräuel führte eine Spannung zwischen Rußland und der Pforte herbei, welche den Griechen in sofern günstig wurde, als der Divan vor Rußlands zusammengezogener drohender Heeresmacht, dem Aufstande seine volle Aufmerksamkeit nicht widmen konnte. Die Griechen fochten zur See mehrmals glücklich, Demetrius Ypsilanti nahm mehrere feste Plätze, aber die Anführer: Markos Bozzaris, Theodor Negris, Maurokordatos und Ypsilanti handelten nach keinem gemeinschaftlichen Plane, und so war zu Ende des Jahres Wenig gewonnen. In den April des folgenden Jahres fallt die gräßliche Zerstörung der Insel Chios durch die türkische Flotte. Im Verlaufe des Sommers erlitten die Griechen, von Verrath und Zwietracht umsponnen und getheilt, trotz einzelner, heldenmüthigen Anstrengungen, mehrere Niederlagen, z. B. bei Peta. Doch war Ende des Jahres der ganze Peloponnes frei. Constantin Canaris vernichtete vom 18 auf den 19 Juni die ganze türkische Flotte durch seine Brander. Die Türken, bei Missolunghi geschlagen, mußten sich schimpflich zurückziehen; aber in Macedonien wurde der Aufstand unterdrückt. – Inzwischen hatte die Sache der Griechen bei den europäischen Völkern vielfachen Anklang gefunden, aus allen Gegenden strömte die Jugend herbei, um für die Freiheit der Griechen zu kämpfen; es bildeten sich Griechenvereine, edle Männer, wie Eynard in Genf, wirkten thätig zu ihrer Unterstützung; das Interesse der Poesie wurde nunmehr das der griechischen Sache, die Dichter fangen begeisterte Griechenlieder (z B. W. Müller) und die deutschen Frauen waren nicht die letzten, welche sich durch ihre Theilnahme für die große Sache auszeichneten. Zwar herrschten unter den Griechen selbst verderbliche Spaltungen, die aus Neid, Habsucht und kleinlichen Privatinteressen hervorgingen. Doch erhielt die edlere Partei unter Maurokordatos die Oberhand. – Die unter dem Seraskier Mehmed Pascha, von Thessalien her eindringenden Türken wurden geschlagen und zurückgedrängt. Markos Bozzaris warf sich in der Nacht vom 19. Aug. mit 300 Sulioten auf ein türk. Heer unter Jussuf Pascha und starb den Heldentod eines Leonidas, indem er die Macht des Feindes fast vernichtete. Durch Kolokotroni's Starrköpfigkeit und seine feindselige Stimmung gegen Kondurlotti und Maurokordatos entstanden ernstliche Händel, wodurch Senat und Regierungscommission zerfielen; Bürgerkrieg und tiefstes Elend waren unvermeidlich, die Rüstungen der Pforte wurden ernstlicher, von Seiten der europäischen Mächte erschien keine Hilfe, worauf man sehnsüchtig gehofft hatte. Der berühmteste Ausländer, der den Griechen alle seine Kräfte weihte, der glühende Dichter Lord Byron (s. d.) starb, enttäuscht wie andere Philhellenen, im April 1824 zu Missolunghi. Nur auf der See fochten die Griechen unter Miaulis und der heldenmüthigen Bobelina (s. d.) glücklich. Mehmed Ali, der Vicekönig von Aegypten, sandte auf Befehl der Pforte seinen Sohn Ibrahim mit einer Flotte nach Morea und überwinterte in Kandia. Anfang 1825 kam die erste englische Anleihe von 800,000 Pfund zu Stande, sie brachte Muth und Leben in die Sache, die Privatstreitigkeiten schwiegen, die Regierung gewann Vertrauen Aber Ibrahim Pascha landete im Februar in Morea und setzte eine große Truppenmasse aus. Trotz der heldenmüthigsten Anstrengung der Griechen, die in der höchsten Noth einig waren, ging Navarin verloren. Reschid Pascha belagerte Missolunghi, den zweiten Stützpunkt der Griechen, aber die Besatzung vertheidigte sich tapfer und er mußte erst Ibrahim's Hilfe abwarten. Dieser hatte sich während des Sommers zum blutigen Herrn des Peloponnes gemacht, und überall gemordet, gesengt und verwüstet. Im November stieß eine Verstärkung von 12,000 Mann aus Aegypten zu ihm, und nun brach er noch vor Eintritt des Winters, ein furchtbarer Rächer der Uneinigkeiten der Griechen, mit seinem ganzen Heere zu Wasser und zu Lande nach Missolunghi auf. Missolunghi fiel am 22. April; der Steinhaufen, in welchen es verwandelt wurde, war ein Monument hochherziger, todesmuthiger Tapferkeit der belagerten Griechen, die zum größten Theile mit Weib und Kind den Opfertod wählten. Im Todeskampfe zuckte das geopferte Griechenland unter den Händen seines Schlächters; da that die europäische Politik ernste Schritte zu Gunsten des unglücklichen Landes und von den Großmächten gelangten Vorschläge an den Sultan, der sie aber alle trotzig verwarf. So vergingen die Jahre 1826 und 1827 trübe und traurig. Nichts vermochte der Seeheld Cochrane, Nichts der General Church, den man zum Oberbefehlshaber der Landmacht erwählt hatte, Nichts Kolokotroni's Heldenmuth. Morea wurde eine Wüste, Athen ging verloren, Muthlosigkeit ergriff die Griechen, denen auch das Geld fehlte. Ibrahim häufte Gräuel auf Gräuel. Da wurde in Folge des Londoner Vertrags vom 6. Juli die ägyptisch-türkische Flotte von den vereinigten englischen, französischen und russischen Geschwadern unter Codrington, Rigny und Heydenam 20. October 1827 bei Navarin vernichtet. – Der Krieg, in welchen die Pforte dadurch mit Rußland sich verwickelt sah und der ihr selbst die letzten Lebenskräfte raubte, verschaffte Griechenland im Jahre 1828 Muße zur Erholung. Man hatte den Grafen Capodistrias, einen Corsioten, unter Zustimmung der europ. Großmächte zum Präsidenten ernannt. Man jubelte ihm entgegen und erwartete alles Heil von ihm. Leider wollte er gerechten Anforderungen nicht genügen; doch errichtete er das Panhellenion, eine aus 27 Mitgliedern bestehende Staatsbehörde, und eine Nationalbank. Im October mußte Ibrahim, von 14,000 Franzosen unter Maison gezwungen, Morea räumen – das Glück begünstigte die Waffen der Griechen von Neuem. Obgleich bis zum Frieden von Adrianopel (Sept. 1829) die Feindseligkeiten zwischen der Pforte und Griechenland fortdauerten, so erblühten doch Ackerbau, Handel und Schulen sehr schnell. Aber der Geist der Unzufriedenheit schlummerte nicht, man warf dem Präsidenten, den mehr das eigene als Griechenlands Interesse leitete, Willkürlichkeit und das Streben nach absoluter Gewalt vor. Eine Partei verschwor sich zu seinem Untergange. Er fiel am 9. October 1831 auf dem Wege nach der Kirche durch Meuchelmord. – Das Jahr vorher hatte man dem Prinzen Leopold von Sachsen-Coburg unter Zustimmung der Großmächte die Krone Griechenlands angetragen, die Pforte selbst erkannte ihn an, er resignirte jedoch nach einigen Monaten, da ihm die Macht- und Grenzbestimmung des neuen Staates nicht gefiel. Nach Capodistrias Tode hatte sein Bruder Augustin die Zügel der Regierung ergriffen, da er aber sich den schwierigen Verhältnissen nicht gewachsen fühlte, verließ er 1832 freiwillig Griechenland. Eine neue Regierungscommission ward eingesetzt, aber der Bürgerkrieg drohte überall zu entbrennen, genährt von einigen Parteihäuptern, namentlich dem widerspenstigen Kolokotroni. Am 7. Mai 1832 gaben die europäischen Großmächte dem unglücklichen Lande in der Person des baierschen Prinzen Otto einen König, dessen Wahl am 8. Aug. von der griechischen Nationalversammlung genehmigt wurde. Während seiner Minderjährigkeit verwaltete eine Regentschaft die Angelegenheiten des Staates. Am 1. Juni 1835 ergriff er mit eigenen Händen die Zügel der Regierung und das Volk, das seinem liebenswürdigen Charakter aufrichtige Liebe zollt, blickt mit Vertrauen in die Zukunft, aus welcher ihr reiche Segensfrüchte erblühen sollen. – Der junge Phönix, herrlich erstanden, regt von Neuem seine Schwingen, um den Sonnenflug zu wagen. – Griechenlands heller Morgen ist angebrochen – die neueste Geschichte seiner Selbstständigkeit datirt sich von König Otto I., der mit deutscher Biederkeit und Treue das ihm anvertraute Volk zu beglücken bemüht ist.

St.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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