Freundschaft

Freundschaft

Freundschaft, ein heiliges, wenn nicht das heiligste Gefühl, oder vielmehr der reine Einklang aller Gefühle im Accorde des geselligen Lebens; ein oft mißbrauchtes Wort; ein Utopien, ein Traumland des Herzens; die Oase in der heißen Wüste des Daseins, an deren immerfrischer Quelle der müde, lechzende Wanderer nach allen Stürmen ausruht und sich erquickt, um den heiligen Ort seiner Bestimmung zu erreichen. Freundschaft, dieses milde, sanfte Sternen- und Mondlicht in der Nacht der Leiden, die Milchschwester der Liebe, wer nennt, wer wünscht und sucht sie nicht? Aber seltsame Pfade führen zu ihr! Nicht an der ebenen, gemächlichen Heerstraße des Glückes weilt sie; meist geht ihr Weg an Abgründen vorüber, über Dornen und Klippen, unter Thränen und Seufzern. Freude findet sie nicht so oft als Wehmuth; der Schmerz trifft sie überall, wenn es ein edler, ein gerechter ist. Freundschaft ist das reinste Gefühl, weil es das uneigennützigste ist: Liebe will Gegenliebe. Diese bringt Opfer wie jene, aber nur in leidenschaftlicher Aufregung, während erstere bei aller Besonnenheit sich selbst verläugnet. Sie ist, wenn Liebe die Blüthe des Lebens, die Frucht desselben, das Erste und das Letzte, Höchste der geselligen Wechselwirkung. Sie reißt nicht hin, wie die Liebe, aber sie zieht an, dauernd; sie glüht und strahlt nicht, wie die Liebe, aber sie wärmt und erhellt; sie verzehrt und schmachtet nicht stürmisch und krank, wie die Liebe, aber sie sehnt sich, glücklich zu machen und im fremden Glück das ihrige zu finden. Nur die redlichsten Herzen sind wahrer Freundschaft fähig, für Liebe hingegen ist fast jedes Gemüth empfänglich. Liebe ist Leidenschaft, Freundschaft Ruhe. Nach allem dem hier Gesagten ergibt sich der natürliche Schluß, daß Freundschaft im weiblichen Herzen leichter Wurzel fassen und sich nähren kann als im männlichen, da dieses, leidenschaftlicher von Natur, im Ganzen für dieses ruhige Gefühl weniger Anhaltspunkte bietet. Wir sehen den Beweis hiervon in jenen Frauen des Südens, deren heißeres Blut das Charakteristische des Weibes aufhebt und sich gleichsam männlich, thatkräftig herausstellt; wie bei der Spanierin, Italienerin und Französin. Sie sind für Liebe, aber selten für Freundschaft. Diese braucht das gemäßigte Klima des Gemüthes (s. d.), der Gemüthlichkeit, wie es sich nur, allgemein genommen, bei germanischen und den ihnen verwandten Frauen findet. Freundschaft also ist vor Allem eine weibliche Tugend; Freundschaft unter Männern ist darum seltener, am seltensten zwischen Männern von gleichem Geschäfte. Schon darum, daß Frauen keine Geschäfte treiben, finden bei ihnen weniger Störungen Statt, während sie noch die erste Eigenthümlichkeit ihrer Natur zur Mittheilung anregt und auffordert, wogegen der Mann verschlossen, schweigsam und abgesondert zu wirken hat. Frauenherzen ist sonach Freundschaft sogar Bedürfniß, wie Einsamkeit dem Manne. Wäre der Vergleich nicht zu gewagt, man möchte ihn als Axiom aufstellen: das Weib verhält sich zum Manne, wie Talent zum Genie; dieses braucht Einsamkeit, jenes Geselligkeit zur vollen Entwickelung; das Talent nämlich bedarf des Musters zur Nachahmung, indessen das Genie unbewußt selbst zum Muster wird. So viel ist gewiß: Freundschaft wohnt gern in einem leidenschaftslosen, frommen, sich selbst verläugnenden Herzen; Ruhe aber, Frömmigkeit und Selbstopferung, sind vorzugsweise Eigenschaften einer unverderbten Weiblichkeit.

B–l.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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